Eifersucht

1
Die Eifersucht ist ein mysteriöses Gefühl dessen Ursache und scheinbar unbegründete Intensität man nur schwer in einen Zusammenhang bringen kann.
Man fällt in einen Zustand der Depression, steigert sich in die unendliche Ferne der Möglichkeiten und verwechselt die wahnhafte Vorstellkraft mit der Realität. Doch woher kommt das ureigene Gefühl, das uns die Eifersucht vermittelt? Aus der Angst, den Partner zu verlieren? Aus der Sehnsucht ein Gleichgewicht herzustellen? Aus einer Besessenheit, die den Besitz eines Menschen umfängt?
Einige Menschen erkranken nur infolge sorgniserregender Umstände, andere hingegen zerstören nach dem Austausch von Blicken und wechselseitigen Zuspielungen, sich und den Menschen ihrer Wahl, um im selbst geschaffenen Grauen auseinander zu gehen. Oft ist es harmlos, häufig nur eine klein gehaltene Nebenerscheinung, manchmal jedoch artet es zur suchterzeugenden Krankheit aus dessen wirkungsvolles Gift tropfenweise das Fass jeder Beziehungen zum Überlaufen bringt.

Genug der Poesie. Ich habe heute sehr viel über das Thema Eifersucht nachgedacht und bin schlussendlich zu einer mir neuen und bisher noch nicht entdeckten Theorie gekommen:

Die Eifersucht hat nur sekundär und im weiterführenden Verlauf etwas mit Verlustangst zu tun. In der deutschen Sprache wird der Begriff für dieses Gefühl vollkommen zu unrecht und zugleich den Umständen verkennend benutzt - freilich ist es kein Leichtes sprachlich zu erklären, weshalb die Hintergründe für ein bestimmtes Wort anderer Natur sind, als zunächst gedacht. Ich werde aber dennoch versuchen in meiner Ausführung sehr präzis zu sein.
Eifersucht ist - wie bekannt - personenabhängig, und - wie benannt - primär unabhängig von der Angst vorm Verlust. Meiner Meinung nach wird die Eifersucht in erster Linie von einem Gefühl erzeugt, welches man einem Ungleichgewicht zuschreiben muss. Ein Ungleichgewicht im Wert, der Möglichkeiten, der Tätigkeiten, der Zuwendungen und der Interessen des geliebten Menschen. Sofern derjenige, den wir lieben, unabhängig von uns ein Leben führt oder aufbaut, dessen wir nicht teilhaben oder teilnehmen können, erzeugt dies in uns ein beklemmendes Gefühl der Minderwertigkeit. Es wird an einer heiligen Verbindung gekratzt, an einem Wert, den wir selbst errichtet haben - so stehen wir beispielsweise, selbst ernannt, als treue Marionetten da, die, den Partner liebend, sich selbst zurückstellend, das Leben als solches zu teilen pflegend, unterhalb einer gefühlskalten Statue, welche all die Schönheit mit Füßen tritt, die wir vorm geistigen Auge, oft sogar gemeinschaftlich, ernannt haben. Der Grund? Ein einfaches Gespräch mit dem anderen Geschlecht, welches, potentiell, Intrigen, Hintertürchen und Verhältnisse begünstigt, die, in naher wie ferner Zukunft, in körperliche Nähe übergehen oder ausarten könnte. Wir waren diejenigen, die bewegungslos blieben, während der Partner Pfade bestieg, die ihn weiter und höher hinaus führte. Er hat seine Möglichkeiten erweitert, während wir in den unseren verharrten. Ein Komplott, der ausschließlich in unserem Geiste stattfand. Doch der Hintergrund ist denkbar einfach: auf der Seite des Partners liegt vermeitlich mehr Gewicht. Er tat, was uns das Treuegelöbnis unterband, zu welchem wir uns nicht fähig sahen oder wozu uns die Möglichkeit fehlte; und dieses Ungleichgewicht, die geliebte Person stünde höher als unsereins, löst ein Unbehagen aus, was wir per definitionem als Eifersucht empfinden.

Einfacher ausgedrückt umschreibt die Eifersucht alles das, was der Partner hat und tut, was wir aber nicht zu teilen oder auszugleichen fähig sind. Wir wären unter Garantie weniger eifersüchtig, wenn unser Partner eines abends auf eine Geburtstagsfeier geht, sofern wir gleichzeitig oder im Gegenzug einen ebenwertigen Abend verbringen würden. Eifersucht spielt unter normalen Menschen, die einander gleichen und in den selben Möglichkeiten leben, eine untergeordnete Rolle; erst wenn einer der beiden hervorsticht und Dinge tut, die der andere aus ihm eigenen Gründen oder seiner Überzeugung folgend, nicht tut oder tun kann, entsteht jenes Ungleichgewicht, das wir folglich als Eifersucht interpretieren und definieren.

Ich möchte euch ein einfaches Beispiel nennen:
Vor einiger Zeit sprach ich mit einem guten Freund, der mir von einer offenen Beziehung berichtete, welche er als höchste Form der Liebe verstand. Sowohl er, als auch sie, pflegten den Kontakt zu anderen Partnern. Sie waren sich ihrer Ansicht nach einig und liebten einander. Er nannte stichhaltige Argumente, die für eine offene Beziehung sprachen und war im ersten Moment sehr überzeugend: er umschrieb es als Einigkeit, Freiheit, bedingungslose Liebe - er nannte es eine Beziehung ohne Eifersucht. Alles schien nach außen hin gut verpackt und wurde von mir als solches geglaubt. Es klang für mich einleuchtend und hatte bis dahin scheinbar gut funktioniert.
Doch leider verschoben sich die Verhältnisse. Ein Ungleichgewicht machte sich breit:
Heute schrieben wir wieder miteinander und er meinte, seine Beziehung sei in die Brücke gegangen. Auf meine Frage hin, wie es dazu kam, meinte er, er habe es in letzter Zeit scheinbar deutlich übertrieben. Junge, attraktive Frauen, hemmungslose Hingabe, intime Vergnügen, sexuelles Begehren. Seine Liebe hielt diesen widrigen Umständen, die seinerseits provoziert und in Freiheit begangen wurden, nicht stand. Auf meine Nachfrage, wie seine Partnerin das gehandhabt hätte und wie sie sich innerhalb der offenen Beziehung verhielt, antwortete er mir, sie hätte nie viele Partner gehabt. Sie könne es einfach nicht und es sei ihr zuwider. Zu Dritt sei der Spaß sehr groß, doch ohne ihn - mit einem anderen - sei es ihr moralisch nicht möglich.
Es ist naheliegend, dass diese beiden Personen nicht zusammen passen können und die Eifersucht früher oder später ihre Beziehung zerfrisst, Nicht jedoch, weil sich Dritte einmischten und die Verlustangst anstieg: vielmehr war es das Ungleichgewicht, das er vergnügt etwas tat, zu dem sie, ihrerseits, die Türen verschloss.
Auch in diesem Fall beschrieb die Eifersucht das Gefühl, das einer nicht dafür stand, was der andere tat - sie konnte es nicht, während er es sich nicht nehmen ließ.

Wenn der Partner demnach regen Kontakt zur Welt des anderes Geschlechtes hat, ist es weitgehend problemlos, sofern dieser, von der eigenen Seite, ebenfalls vorherrscht. Dadurch ist man auf einer Ebene und den unangenehmen Gefühlen der Ungleichheit ist kein Raum gelassen. Ist der eine jedoch schüchtern, menschenscheu oder gar soziophobisch, der andere hingegen ein offener, herzenslustiger Mensch, der mit neuen Kontakten schnell Freundschaft schließt, stehen sich zwei Gegensätze gegenüber, die in dem Zwiespalt der Eifersucht aufeinander prallen. Vernunft kennt dabei keinen Halt: hierbei geht es um die krasse Gewalt der Gefühle!
Die gesteigerte und oft krankhaft angehauchte Form der Eifersucht entsteht, indem das Denken sich in den Raum der Möglichkeit begibt: sofern der Partner alleine ist und man nicht minutiös über die Zeiteinteilung desselben bescheid weiß, könnte - der Konjunktiv spricht reale Wahrscheinlichkeiten - der liebe Partner ja etwas tun, was ihn weiterbringt, ein Gespräch, eine potentielle Liebschaft, ein erotisches Abenteuer. Alles ist möglich, sofern man über Einfallsreichtum verfügt und alles ist real, sofern man wahnhaft davon überzeugt ist. Man steigert sich, der beschränkten Möglichkeiten bedingt, in eine Welt die nicht ist, schlimmstenfalls sein könnte - doch jene schreibt traurige Zeilen, welche mehr noch Halt geben, als das ahnungslose Nichts. Man zieht die Schnur um den Partner enger, verfolgt, kontrolliert, sperrt ein. Und darin wieder fühlt dieser sich bedrängt und fordert mehr Offenheit seiner Selbst willen.
Das alles obliegt aber nicht dem Urgrund, man könne denjenigen verlieren, den man liebt - denn die bloße Vernunft besagt, das die Eifersucht mehr tötet, als rettet - nein, es geht um das Leben des anderen, welches im eigenen Schatten gesehen, komplexer, facettenreicher, mächtiger und intensiver ist als das eigene je sein könnte.

Ich möchte euch ein anderes Fallbeispiel nennen:
Vor einiger Zeit war ich, zusammen mit meiner Freundin und etlichen anderen Freunden, zelten. Am letzten Abend, gerade, als die Stimmung den Höhepunkt erreichte, holte ein guter Freund von mir ein Stückchen Haschisch raus. In dieser Atmosphäre, nahe dem Wald, vor dem Lagerfeuer, umgeben von Freunden und Bekannten, wären die Bedingungen ideal gewesen, diesen Abend zu genießen. Jedoch hatte ich, nichts vom kleinen Freundenstückchen wissend, zuvor eine nicht unerhebliche Menge Alkohol getrunken. Die Erinnerung an eine üble Erfahrung in der Vergangenheit erhob mir den moralischen Finger: damals musste ich mich bei dieser Kombination übergeben, lag stundenlang fast bewegungslos auf der Couch, erkrankte kurzweilig seelisch und körperlich. Nun stand ich in der Situation, in einem besonderen Moment Haschisch rauchen zu können und mir die schmackhafte Stunde noch weiter zu versüßen. Andererseits konnte ich nicht, da der Alkohol den Wechsel der Wirkung beschwor.
Am Ende blieb ich vernünftig, ließ die Anderen ihr Haschisch rauchen, und blieb, wie ausgegrenzt, sitzen. Sie fanden den Übergang in ihre Welt, lachten, erzählten, verweilten, dachten, schwebten. Ich hingegen befand mich durch nicht Einnahme der Substanz und durch dem Entsagen des entzückten Moments, weit zurück gelegen, in einer einsame, alkoholisierten, leeren Welt. Ich empfand dasselbe Gefühl der Eifersucht. Das Ungleichgewicht, das diejenigen eine Welt betraten und sich in dieser begnügten, zu welcher ich mir durch Alkohol den Zugang verbaute, begleitete mich den restlichen Abend und strafte mich mit dem Gefühl der Einsamkeit und Leere.
Da ich nur selten Cannabis gebrauche und noch nie in einer solchen Atmosphäre genießen konnte, ärgerte mich mein Entsagen umso mehr. Doch das eigentliche Gefühl, welches in mir weilte, war eindeutig dem der Eifersucht gleich. Ein Ungleichgewicht. Ich blieb zurück, während andere gemeinschaftlich einen Schritt weiter voran schritten.
Deshalbe glaube ich, dass der Begriff der Eifersucht nicht nur auf Beziehungen und Liebschaften anzuwenden sei. Das Gefühl spiegelt sich in allerlei Situationen wider, die alle von diesem Umgleichgewicht heimgesucht werden. Oft sogar geht man unterbewusst gegen diese Ungleichheit vor, indem man versucht, seinerseits noch eins draufzusetzen. Rache, gerufen aus einem Gefühl der Minderwertigkeit, eröffnet den Zugang in einen Teufelskreislauf. Man möchte zeigen, wie weit man selbst zu gehen bereit ist, wenn die Verletzung, die Herabsetzung, nur stark genug ist.
Einige gehen sogar soweit, dass sie einen liebevollen Kuss des Partners einem Dritten gegenüber, mit einer Affäre beantworten, die das beklemmende Gefühl der Eifersucht zu überbieten versucht.

Die Eifersucht ist wahrlich eine Bestie. Aber wenn man beobachtet, wann und wo sie auftritt, wird man immer wieder das von mir genannte Ungleichgewicht vorfinden, das mit einer oft nichtigen Situation und zahlreichen Spekulationen einhergeht.

Oder was denkt ihr darüber? Ich hoffe ich habe einigermaßen verständlich erklärt, was ich damit meinte.

Viele Grüße,

Yagé

Überarbeitet am 21. Juli 2009.
Zuletzt geändert von Yagé am 21. Juli 2009, 14:41, insgesamt 1-mal geändert.
Die Realität ist Spiegelbild der Seele; wird nun das Innere verzerrt, so verschieben sich auch die Wesenszüge der Wirklichkeit.

Re: Eifersucht

2
Mmh, ok, so langsam bin ich nun viel zu spät dran - und dein Posting ist schuld. ;)
Wunderschön geschrieben, mit vielen wahren Worten. :2daumen:
1-2 Dinge sind mir aufgefallen, die IMHO der Ergänzung bedürfen (v.a. hinsichtlich des Verhaltens/der Reaktionen auf das, was du als Eifersucht beschreibst; hier speziell: im letzten längeren Absatz). Und ich glaube fast, dass sich meine Vorstellung von dieser Begrifflichkeit von der deinen unterscheidet. Gerade aber fehlen mir dazu die passenden Worte... und die Zeit.

Re: Eifersucht

3
Hmm, auch wenn ich einen Ausgleich schaffe ? Ist das dann nicht die alte Formel , Auge um Auge , Zahn um Zahn ? Verschafft das inneren Frieden?

Letztlich stimmt diese Betrachtung hier aber schon, und ist sicherlich viel präziser als das was man sonst so liest über das Thema.

Oft reicht allerdings auch schon ein "Potential" um Eifersucht zu Erzeugen, auch wenn es nicht Angewandt wird.

Re: Eifersucht

4
Also sprach der Antichrist nicht :zunge: :

Zu eifrig sucht der Eifer-süchtige zwanghaft Verschiedenheit von „ich“ und „du“, wo doch letztlich Gleichheit ist.
Zu eifrig sucht der Eifer-süchtige zwanghaft Gleichheit von „ich“ und „du“, wo doch letztlich Verschiedenheit ist.

Er beharrt auf seiner Suche nach Gleichheit, wo Verschiedenheit zu akzeptieren wäre und beharrt auf seiner Suche nach Verschiedenheit, wo Gleichheit zu akzeptieren wäre.

Jede Suche endet, ist der dunkle, geflohene Pol erst als notwendige Ergänzung des gesuchten, lichten Pols begriffen.

Dann erst ist der Träumer zur Klarheit erwacht.




Ps.: ist doch ganz einfach.... :pfeif: :ironie:

Re: Eifersucht

5
imo schliessen sich Liebe und Eifersucht aus.

Vermutlich ist die Eifersucht dann in Wahrheit z.B. Neid, Hass, Angst, Selbstzweifel etc. - und die Liebe nur noch eine Illusion oder Wunschdenken.

Ich kann niemanden lieben, auf den ich eifersüchtig geworden bin.
Wenn ich aufrichtig liebe, kann ich nicht eifersüchtig werden.

Ich glaube sogar, es gibt keine Eifersucht. Wenn wir glauben, wir wären eifersüchtig, verdrängen oder übersteuern wir damit die eigentlichen Gründe - und vor allem die Konsequenzen daraus.

Man kann auch niemanden "eifersüchtig machen". Das würde ja bedeuten, ich würde diese Person bewusst täuschen und verletzen. Völlig undenkbar bei jemanden den ich liebe. Und wer das versucht, den würde ich nicht mehr lieben.

Yage, ich sags mal ganz platt: sobald mich die Existenz bzw. die Aktionen irgendeiner Person belasten, ist Schluss mit Liebe. Man kann ja Freunde bleiben. :D

Bei den offenen Beziehungen kommt mir das immer so ein bisschen vor wie beim Spruch mit den Affen: den alten Ast erst loslassen, wenn man den neuen in der Hand hat. Zumindest wenn das auf Beziehungsebene so laufen soll. Zusammen auf sexuelle Beutejagd gehen ist da schon wieder was anderes.

/edit: kurz gegoogelt bringt das: http://www.partnerschaft-beziehung.de/Eifersucht.html - und ich kann nur zustimmen.
„Hupen Sie, wenn Sie bewaffnet sind!“ (R.A.W)

Re: Eifersucht

6
Wenn man eine andere Person eifersuechtig macht, weil man selbst eifersuechtig ist, ist das imho eine passive Ausuebung von Gewalt. Da man die Person nicht besitzen kann, versucht man sie auf indirekte Art und Weise an sich zu binden.

Das beschriebene Gleichgewicht ist imho zum Scheitern verurteilt. Das klingt wie ein beidseitiger Status Quo der Selbstbefriedigung, was nichts mit Liebe zu tun hat. Liebe bedeutet nicht, einander zu benoetigen.

Eifersucht und Neid sind wahrlich furchtbare Zerstoerer, gerade weil sie so subtil arbeiten. Wenn man sich ihrer bewusst wird kommt oft noch Scham und Selbstentwertung dazu, da man sich solch niedertraechtige Gefuehle und Motive selbst nicht eingestehen moechte. Brrr...

peace

mao
Take pain as a game.

Re: Eifersucht

7
eifersucht ist imho auch ein naturgebotener trieb, man handelt instinktiv
ähnlich wie bei neid
diese gefühle sich selbst zu verbieten ist irgendwo auch innere eingrenzung, wie man diese eingrenzung beurteilt bleibt dabei jedem selbst überlassen :klug:

Re: Eifersucht

8
Die Eifersucht umschreibt ein Gefühlskomplex, das weder verstanden, noch kontrolliert werden kann - Gefühle sind Reaktionen, mächtig in ihrer Konsequenz, doch oft harmlos in ihrer Ursache; jeder fühlt anders, in jedem Menschen spielen sich andere "Gefühlsreaktionen" ab.
Liebe und Eifersucht schließen sich meines Erachtens nicht aus. Ich würde sogar behaupten, dass die Eifersucht mit der Steigerung der Liebe und Verknüpfung zweier Menschen, einhergeht. Man knüpft ein Band und führt eine Co-Existenz zum eigenen Selbst. Doch wächst "die bessere Hälfte" mehr, als man selbst, geht es nicht mehr um vernunftsgetreue Begriffe wie "Toleranz" und "Gönnen", sondern um unterbewusste und unterschwellige Reaktionen. Diese sind bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt und lassen sich nicht pauschal kategorisieren.
Unendlichkeit hat geschrieben:Hmm, auch wenn ich einen Ausgleich schaffe ? Ist das dann nicht die alte Formel , Auge um Auge , Zahn um Zahn ? Verschafft das inneren Frieden?
Frieden verschafft es keinen. Aber es hebt das Ego - natürlich ist es ein instinktives Übel, sich an seinem Partner, obgleich man ihn liebt, zu rächen - doch die Eifersucht stachelt das Ego dermaßen an, dass das Gefühl, im Wert gemindert zu sein, kaum mehr länger erträglich ist. Die schwere Krankheit der Eifersucht lässt sich schwer therapieren und zerstört auf kurz oder lang jede Beziehung die sich einigermaßen offen und teilweise unabhängig voneinander entwickeln will.
n19 hat geschrieben:Ich kann niemanden lieben, auf den ich eifersüchtig geworden bin.
Wenn ich aufrichtig liebe, kann ich nicht eifersüchtig werden.
Damit nennst du es beim Namen. Wobei ich selbst dahinter ein unsichtbares Fragezeichen stellen möchte: denn auch Liebe besitzt Schatten, auch Vertrauen besitzt Grenzen, auch Verbundenheit besitzt Risse. Dualität. Alles hat eine zweite Seite. Und die Eifersucht ist weniger als Gegensatz zur Liebe zu betrachten, sondern vielmehr als ihre Seelenkrankheit. Sie ist natürlich und im gewissen Grad sogar gesund. Wenn ich heimlich mit anderen Frauen ausgehen würde und meine Freundin empfände keine Eifersucht - dann würde ich mir mehr Sorgen machen, als wenn sie toben würde vor Gefühlen!
n19 hat geschrieben:Ich glaube sogar, es gibt keine Eifersucht. Wenn wir glauben, wir wären eifersüchtig, verdrängen oder übersteuern wir damit die eigentlichen Gründe - und vor allem die Konsequenzen daraus.
Eifersucht ist ein Wort! Ich versuchte in meinem Ausgangsbeitrag speziell dieses Wort zu definieren und zu zerlegen: die Eifersucht ist meines Erachtens ein spezielles Gefühl, eine Gefühlsregung, eine Reaktion auf eine Situation, die in uns ein böses Übel heraufbeschwört. Und dieses spezielle Gefühl sehe ich in dem von mir beschrieben Ungleichgewicht.
n19 hat geschrieben:Yage, ich sags mal ganz platt: sobald mich die Existenz bzw. die Aktionen irgendeiner Person belasten, ist Schluss mit Liebe. Man kann ja Freunde bleiben.
Also wenn dir deine Freundin sagt, sie sei eifersüchtig, würdest du ihr den Laufpass geben? Das wäre für mich ein erster Beweis dafür, dass sie dich liebt. Denn Eifersucht setzt in gewisser Weise Liebe und Nähe voraus. Ansonsten könnte mir das Leben des Anderem ja egal sein.
Sobald es mich jedoch angeht, existiert eine Verbundenheit.
Mao hat geschrieben:Wenn man eine andere Person eifersuechtig macht, weil man selbst eifersuechtig ist, ist das imho eine passive Ausuebung von Gewalt. Da man die Person nicht besitzen kann, versucht man sie auf indirekte Art und Weise an sich zu binden.
Und könntest du diese Person verurteilen? Es existiert ein großes Problem:
Die Gefühle einer Person sind ein Bestandteil seiner Persönlichkeit. Genauso wie Vernunft, Charakter, Denken und Tun. Sie sitzen im Inneren fest und verursachen Reaktionen - diese jedoch sind schwer vorherzusehen, fallen oftmals konsequent und überzogen aus, lassen sich wenig nachvollziehen und können häufig nicht einmal klar beschrieben werden. Wir behaupten im stillschweigenden Einverständnis mit uns selbst, dass wir jeden geliebten Menschen als solchen lassen - ihn nicht zu ändern versuchen -; doch seine Gefühle und damit verbunden auch die Schatten der Eifersucht, sind ebenso ein in ihn verwobener Teil! Es verändert stellenweise das bekannte Personenbild, treibt den Charakter dieses Menschen sogar an die Grenze - und doch sind sie ursächlich in ihm zu finden, versteckt und verborgen, doch dauerhaft präsent.
Wenn wir ihm die Konsequenzen übel nehmen, dann verrate wir ihn gewissermaßen, da wir dadurch eingestehen, nicht die Person zu lieben, sondern die Zusammenfindung ihrer Eigenschaften.

So, Meeting beginnt gleich. :wink:
Die Realität ist Spiegelbild der Seele; wird nun das Innere verzerrt, so verschieben sich auch die Wesenszüge der Wirklichkeit.

Re: Eifersucht

9
Yagé hat geschrieben:Liebe und Eifersucht schließen sich meines Erachtens nicht aus. Ich würde sogar behaupten, dass die Eifersucht mit der Steigerung der Liebe und Verknüpfung zweier Menschen, einhergeht.
Habe nun zugegebenermassen nicht den ganzen Thread gelesen, aber IMO:

“In jealousy there is more of self-love than love.”
--François de la Rochefoucauld

Das bringt es meiner Ansicht nach sehr gut auf den Punkt. In Eifersucht steckt IMO mehr neurotische Unsicherheit als Liebe gegenüber dem Objekt der Eifersucht. Bestenfalls ist Eifersucht eine Vereinigung von Liebe und Hass in gleichen Teilen.

Es sind IMO inkompatible Gefühlskomponenten, die eine läßt der anderen (positiven, sprich Zuneigung / Liebe kaum Platz.

Sorry falls diese Punkte hier schon genannt wurden, habe den bisherigen Thread leider nur skimmen können...

Re: Eifersucht

10
Ich weiß, ich bin spät dran und die Diskussion ist schon im fortgeschrittenen Stadium, doch möchte ich gerne noch was dazu schreiben...

Und endlich weiß ich, warum ich in digitaler Form noch meine Unihausarbeiten/-referate aus den 90ern vorliegen habe (wenn auch im falschen Format ^^); im Zuge eines Seminars mit der Thematik "Soziale Beziehungen" war auch eine Arbeit über "Eifersucht" darunter. Und die Abgrenzung hinsichtlich "Neid".

Und genau das ist es auch, was mich anfänglich stutzig gemacht hatte bzgl. der vorliegenden Beschreibung von Eifersucht im Startposting; offenbar wird sie häufig mit Neid verwechselt.

--
Das korrespondiert mit einer Untersuchung von Smith und Kim aus dem Jahre 1988 (^^), in denen Probanden gebeten wurden, eine Situation zu beschreiben, in welcher sie entweder sehr eifersüchtig oder sehr neidisch waren. Danach sollten sie eine Situation beschreiben, in der sie das Gefühl, also Neid oder Eifersucht, hatten, über das sie anfänglich nicht befragt wurden. Dann wurden diese Beschreibungen so zugeordnet, wonach sie am besten in die traditionellen Definitionen von Eifersucht oder Neid passten.
Das Ergebnis: Wenn die Personen zuerst nach 'Neid' gefragt wurden, beschrieben sie im großen und ganzen (93 %) auch Neid, wurden sie aber zuerst nach 'Eifersucht' gefragt, waren sie weniger konsequent: 75 % der Zeit beschrieben sie Eifersucht, den Rest Neid.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, wie unterscheidet die Wissenschaft - in dem Falle: die Sozialpsychologie - zwischen den beiden Emotionen?
Definitionen zu Eifersucht waren viele zu finden, z.B.:
"Eifersucht, dem Neid verwandt, entsteht wie dieser oft im Unterbewusstsein, dem davon Ergriffenen zunächst verborgen. Ihre Entstehung wird begünstigt durch ein Minderwertigkeitsgefühl, das den Liebenden in seiner Zuversicht, die Liebe des anderen festhalten zu können, unsicher macht."
"Jealousy is a reaction to a perceived threat to a valued relationship or to its quality." Erklärt wird hier die Eifersucht als eine komplexe Reaktion, die sowohl Und "Jealousy is an aversive emotional reaction evoked by a relationship involving one's current or former partner and a third person. This relationship may be real, imagined, or expected or may have occurred in the past."
Darüber hinaus waren verschiedene Typen von Eifersucht (suspicious jealousy, reactive jealousy, possessive jealousy, exclusion jealousy, competition jealousy, egotism jealousy, fear jealousy, pathological jalousy, rational/irrational jealousy) in der Literatur zu finden, aber das führt wohl ein bisschen zu weit.

Als Ursachen von Eifersucht wurden u.a. aufgeführt: Ungleichheit (im Sinne eines unausgeglichenen Beziehungsverhältnisses), eine Verletzung der Einzigartigkeit/Besonderheit der Beziehung, emotionale Abhängigkeit, Unsicherheit (in Bezug auf die Gefühle des Partners einem selbst gegenüber).

Abzugrenzen davon ist der Neid. Der Kern des Neides ist der soziale Vergleich, der einen alltäglichen und mächtigen Einfluss auf unser Selbstverständnis ausübt. Viel von unserer Selbstachtung erschließt sich aus dem Vergleich mit anderen. Wenn die eigenen Fähigkeiten, Leistungen und eigener Besitz verglichen mit denen/dem anderer uns "armselig" vorkommen/vorkommt, ist das Potential, die Selbstachtung und den öffentlichen Status zu vermindern, vorhanden. Wird eine solche Diskrepanz bei uns unähnlichen Menschen wahrgenommen, hat das kaum Auswirkungen auf unser Selbstbild; bei uns ähnlichen Menschen, die uns eben scheinbar vergleichbar sind, fördert die erlebte Diskrepanz dagegen das eigene Unterlegenheitsgefühl.

Der soziale Vergleich kann also dadurch Neid wecken, indem er das Empfinden des eigenen Mangels einer Person erhöht und auch durch die Tatsache, dass nicht alle das eigene Leid teilen.
---

Soviel zur Theorie. ;)
Bei Bedarf werden die Zitate gerne mit Autoren belegt.
Yagé hat geschrieben: Deshalb ist der Begriff der Eifersucht nicht nur auf Beziehungen und Liebschaften anzuwenden, das Gefühl spiegelt sich in allerlei Situationen wider, die alle von diesem Ungleichgewicht heimgesucht werden. Oft sogar geht man unterbewusst gegen diese Ungleichheit vor, indem man versucht, dem von seiner Seite noch eins draufzusetzen. Geht der Partner mit einem fremden Menschen des anderen Geschlechtes essen, so provoziert man diegleiche oder eine noch viel schlimmere Situation - nicht selten lässt man es die geliebte Person sogar wissen, dass man ebenfalls die Möglichkeit hatte, dass man genauso mit einer Person ausging, das man einen schönen Abend hatte, der als solcher möglicherweise nichtmal stattfand - nur um dieses Ungleichgewicht seinerseits zu vermindern und gewissermaßen Rache zu verüben.
Andere gehen sogar soweit, dass sie einen liebevollen Kuss des Partners zu einem Dritten mit einer Affaire beantworten, da sie das beklemmende Gefühl der Eifersucht auf diese Weise zu übertönen versuchen.
Sicher gibt es wohl solche Vorgehensweisen, finde ich persönlich aber ganz grausam. Zum Beispiel, weil es authentisches Sein und Handeln untergräbt, es notwendig ist, sich Strategien zurecht zu biegen und sich selbst in einem guten Licht zu präsentieren - in einem besseren Licht als der Partner dasteht.
Spätestens an diesem Punkt sollte man IMHO als reflektierendes Wesen ins Grübeln und zur Erkenntnis kommen, dass da prinzipiell was schief läuft. Allerdings glaube ich auch, dass es Menschen gibt, die einfach nicht anders können. Und: Vermutlich gibt es außerdem Menschen, die sich daraus einen Sport machen und ihre Energie ziehen; meine Tasse Tee ist es definitiv nicht.
Yagé hat geschrieben: Alles hat eine zweite Seite. Und die Eifersucht ist weniger als Gegensatz zur Liebe zu betrachten, sondern vielmehr als ihre Seelenkrankheit. Sie ist natürlich und im gewissen Grad sogar gesund. Wenn ich heimlich mit anderen Frauen ausgehen würde und meine Freundin empfände keine Eifersucht - dann würde ich mir mehr Sorgen machen, als wenn sie toben würde vor Gefühlen!
Ist das so? Und: wenn du es heimlich machst, wie sollte deine Freundin davon erfahren? ;)
Warum muss es besorgniserregend sein, einem Partner Freiraum zu lassen, die Möglichkeit, Erlebnisse auch ohne eigenes Beisein zu haben, ohne vor Eifersucht "zu toben"?
Für mich ist der (glücklicherweise eher sehr selten selbst) erlebte Stachel der Eifersucht vielmehr ein Grund in mich zu gehen und mich zu fragen, was genau mich so fühlen lässt, wo meine eigenen Mängel sitzen, woran genau offensichtlich Arbeit ansteht.

Re: Eifersucht

11
kurzes brainstorming, wenig zeit, sry:

wertesystem einer gesellschaft...."heiliger bund der ehe"...stellung der frau in der gesellschaft...muslimische gesellschaft...
patriarchat....:"frau eigentum wie vieh"....besitzanspruch auf einen menschen...ehrenmorde....mann darf...frau nicht!
:baeh:


oder auch dieser ansatz:

kein selbst-wert-gefühl aus sich selbst entwickelt, in sich selbst gefunden. "selbst-wert" wird abhängig gemacht von "äusserlichem", von der meinung anderer menschen, in diesem speziellen fall "eifersucht": ob der "partner" uns wert schätzt: sind wir dem "partner" wichtig/wertvoll: will er unseren körper und den umgang, das gespräch mit uns, usw....., kurz: signalisiert er durch sein verhalten uns gegenüber seine "wert-schätzung" für uns, schätzen wir uns selber als wertvoll ein (und eben nur dann!).
können wert nicht in uns selber finden.....unabhängig von bestehendem wertesystem der gesellschaft und des wertesystems der menschen mit denen wir in kontakt stehen...sehen illusionär unseren wert geschmälert und gemindert durch den "partner", nennen dies dann "eifersucht".
:baeh:



fazit:
mensch sehr krank im kopf!
:nene:

Re: Eifersucht

12
Ich habe den Anfangspost noch mal überarbeitet und ergänzt. Vielleicht hilft das ja zum Verständnis. :)

Ich werde beizeiten noch mal auf einige Posts eingehen, wenn ich die Zeit und Muse dazu finde.
Die Realität ist Spiegelbild der Seele; wird nun das Innere verzerrt, so verschieben sich auch die Wesenszüge der Wirklichkeit.

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot] und 1 Gast