Käseverzehrer hat geschrieben:raellear hat geschrieben: Es stimmt ja auch nicht, dass er Philosophie grundsaetzlich abgelehnt haette. Die vier edlen Wahrheiten sind in meinen Augen schon Philosophie (wenn sie nicht Philosophie sind, was dann?).
Naja, mit Philosophie meine ich meist etwas, dass man durch Denken erreicht. Die Vier edlen Wahrheiten sind aber in meinen Augen Phänomene, also Ereignisse, die sich beobachten lassen... klar das geht auch in die Philosophie über, aber ich meinte schon den "praktischen" Aspekt des Buddhismus im Vergleich zur Metaphysik. Buddhismus ist insofern schon eine Art Phänomenologie bzw. positivistisch oder auch pragmatisch, da die Theorien des Buddhismus eben auf Beobachtungen beruhen und weniger auf logischen Denkgebäuden, jedenfalls soweit ich weiß...
Beschäftigst du dich in deinem Studium eigentlich auch mit Daoismus?
Ich habe da mal zwei Bücher von Günter Wohlfahrt gelesen, ein deutscher Philosoph, der sich viel mit Daoismus und Zen auseinandersetzt. Das eine hat sich mit Haikus, das andere mit dem Zuangzhi beschäftigt...
http://guenter-wohlfart.de/indexstart.htm
Viele Texte und Bücher kann man sich da auch einfach runterladen.
Ja zweifelsohne ist der heilspragmatische Aspekt beim Buddhismus sehr vordergruendig. Ich glaube auch, dass man dort den wesentlichen Unterschied zu den Upaniṣaden und zu anderen (indischen) Traditionen ausmachen kann. Und Yogācāra bzw. Vasubandhu und die spätere Abhidharma-Schule (also das, was den Übergang zwischen dem 'traditionellen Buddhismus' und Mahāyāna und dem darstellt) markiert in meinen Augen einen Höhepunkt in der Ausformulierung der buddhistischen Weltsicht (vielleicht ist 'Weltsicht' auch das bessere Wort und nicht so vorbelastet wie 'Philosophie'

).
Yogācāra ist ja auch nicht unbedingt pure Mahāyāna, sondern bewegt sich irgendwo zwischen den beiden Fahrzeugen.
Die letzten Tage habe ich einen Vortrag von Thich Nhat Hanh gehoert und dabei sprach er ganz beilaeufig von 'Samen in unserem Bewusstsein' und das hat mich doch an Yogācāra erinnert, hab daraufhin dann mal die Tradition, die er vertritt nachgelesen und bin zu dem Punkt gekommen, dass sie auf jeden Fall auch auf dem Yogācāra-Konzept aufbauen. Also wie grundliegend und wichtig dass fuer die ganzen ostasiatischen buddhistischen Schulen gewesen ist kann ich noch nicht recht einschaetzen, aber insgesamt wohl sehr stark!
Aber wir an der Uni zaeumen das Pferd auch von hinten auf, so wie ich das gerade bemerke. Anstatt erst einmal generell was ueber Zen+Praxis zu lernen, faengt man gleich bei der theoretischen Grundlage an und muss sich dann von dort zu den praktischen Details hocharbeiten.
Zum Daoismus habe ich leider nicht soviel gelernt. Also im klassischen Chinesisch-Kurs bei uns in Hamburg haben wir mal ein paar Wochen das 道德經 gelesen. Was ich daraus mitgenommen habe ist, dass der Originaltext wirklich kaum zu verstehen ist.
Zum Beispiel:
天下皆知美之為美,斯惡已。
皆知善之為善,斯不善已
Alle Wesen unter dem Himmel wissen, dass Schoenheit das Schoene schafft, also ist es schon haesslich,
Und sie wissen auch, dass das Gute das Gute schafft, deswegen ist es bereits schlecht.
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Es war immer ein Spass in dem Kurs, die verschiednen (es gibt hunderte!) Uebersetzungen von Laoze rauszusuchen und zu vergleichen; fast jeder hat das vollkommen anders verstanden.

Aber es stimmt schon, dass generell der Daoismus und der Buddhismus (insb. Madhyamika/Nagarjuna) eine Menge gemeinsam haben. Zumindest Madhyamika wurde in China schnell an die Leute verkauft, die eigentlich dem Daoismus geneigt waren, weswegen da auch eine gewisse Konkurrenz entstand. Letzlich weiss ich aber auch viel zu wenig zu den spaeteren Auspraegungen des Daoismus - bis auf die Tatsache, dass das hochinteressante Entwicklungen einer mystischen und faszinierenden Weltsicht sind, die sich auf jeden Fall lohnen studiert zu werden.
"if we are able to give priority to the meditation then all else will eventually fall into place on its own accord"