Ich war alleine, und es war ein Samstag Nachmittag. Das Wetter war herrlich, das Set ob schleifenden Studiums medium, und ich beschloss spontan drei Gramm Cubensis zu essen, und raus in den Wald zu gehen.
Dort war es wunderbar, die reichhaltige, gute Luft des Waldes füllte meine Brust mit purer Energie und Freude. Und während die Pilze in mir langsam anfingen ihr Werk zu vollbringen, entschloss ich mich den kleinen Berg (800m) etwas hinaufzusteigen, um irgendwo einen Ausblick in die Ferne und über die Wipfel hinweg zu suchen. Ich fühlte mich etwas schwach, hatte nichts gegessen, bin eh nicht der fitteste, und beschloss höchstens ein paar zich Höhenmeter raufzusteigen.
Der Wald dort ist verflucht steil, und so entledigte ich mich bald meines Tshirts, und marschierte wie eine Maschine, zischend die Luft am verarbeiten, mit ausladenden kraftvollen Schritten und schweißnassem Rücken den Berg hinauf. "Der Weg ist das Ziel" schoss mir in den Kopf, doch mir ging die Pumpe zu sehr um nicht darauf zu pfeiffen, und der Vortrieb war viel zu stark, als das ich hätte innehalten können. Außerdem war ich noch nicht ganz drauf. Wenn du jetzt den Arsch zusammenkneifst, anstatt dich hier zu begnügen und am Fuße des Berges rumzutaumeln, dachte es in mir, wirst du später dafür mit Aussicht und Weite auf dem Peak belohnt werden.
Generelle Gedanken über das Erreichen von Zielen im Leben und im Alltag schießen mir durch den Kopf. Macht es Sinn auf etwas hinzuarbeiten? Ist es nicht total beknackt und verblendet, angezogen wie eine Motte von einer Kellerfunsel diesen Berg raufzurennen, nach etwas zu suchen, anstatt mich hier am Fuße zu begnügen? Ist es nicht gar psychotisch und fliehe ich vor was?
Über diesem Gedaken blieb ich stehen und rang nach Atem. Der Schweiß tropfte mir von der Nasenspitze. Was tue ich hier? Die Pilze wirkten. Der Berg wurde zu einer Metapher für mein leben, für alles was 'ansteht'. Nein. Er war damit vollkommen gleichbedeutend. Wo will ich hin? 'Ei, rauf!' Sagte es in mir. Das Ziel ist nah. Ich peilte immer eine Stelle wo der Himmel an den Waldboden grenzt an in dem Glauben von dort über die Wipfel schauen zu können. Doch immer wenn ich sie erreichte, türmte sich vor mir ein neuer Hang auf, und der Horizont verschob sich weiter den Berg hinauf.
Mitlerweile war mein Hunger und meine Schwäche verflogen, aber ich hatte nicht geplant einen so intensiven Ausflug zu unternehmen und weder Jacke noch Wasser dabei. Ich stellte fest, dass ich auf einem sich stramm entfaltenden Trip, schlecht ausgerüstet, orientierungslos, über Stock und Stein durch den Wald irrte, tat das als Paranoia ab, lachte, und kreischte vor Freude, als ich mit den ersten Schritten leicht wie eine Feder den Hang hinaufsetzte. Der Pilz kommt gut, und ich bin bald 'da'.
Je höher ich kam, desdo stärker wirkte der Pilz. Der Berg schien der Trip selbst zu sein - sein Verlauf spiegelte den Verlauf des Trips wieder. Oder umgekehrt. Oder beides.
Gleichbedeutend mit allem was jemals in meinem Leben zu erreichen ist, war und sein wird, lag der Berg vor mir, so sehr vor mir, wie er überhaupt nur vor mir liegen kann; Wie überhaupt nur irgendetwas vor mir liegen kann.
In mich versunken, stieg ich eine weile auf, bis ich mich zunehmend furchtbar quälte, japste, und mir das Herz aus dem Halse brechen wollte. "Was soll das? Du findest keinen Aussichtspunkt, außer den Gipfel des Berges. Und da kommst du auf keinenfall rauf jetzt, das wäre vollkommener Wahnsinn, besinn dich mal, und dann dreh um. Du krepierst hier noch! Die Pilze treiben deinen Blutdruck zusätzlich hoch, und nehmen dir das Gefühl für deine Lesitungsgrenzen, etcpp" - Ich sollte besser absteigen.
Ich schnaufe nochmal durch, staune über eine Kompanie Ameisen, und wende mich ab. Es ist nicht schaffbar, viel zu anstrengend, und überhaupt was erwarte ich überhaupt zu erreichen. Hier ist es doch auch ok.
Es denkt in mir "Pfah! Genau so läuft es immer deswegen dümpel ich auch so herum, ohne Aussicht das Studium irgendwann zu beenden, und hab genau deshalb überhaupt schon immer so rumgedümpelt. Das ist der Mechanismus. Mir fehlt der Biss."
Der Gedanke, dass die ganze Quälerei bis hier hin nun für die Katz war, stieg in mir auf, und wurde mir nach ein paar Metern bergab so unerträglich, dass ich wieder kehrt machte, und beschloss, das nun durchzuziehen. Wenn was an meinem Leben ändern, dann jetzt. Ich weiß noch, dass ich mich noch mehrere male umentschieden habe. Was da noch jeweils im einzelnen in meinem Kopf vorging, weiß ich heute nicht mehr. Nurnoch, dass dabei in mir ein emotionales Feuerwerk aller erschütternster Sorte abbrannte. Der Kampf ging schlussendlich zugunsten von Bergauf aus. Ich gebe nicht auf. Mir war klargeworden, dass dieser Berg mein Weg ist, und ich war nach diesem hin und her bereit, mich ihm vollkommen auszuliefern. Auch wenn der Berg mich töten wolle, so sollte er es heute tun. Denn umdrehen kam nicht mehr in Frage. Ich dachte schmerzlich an meine Familie und meine Freunde, die im Falle des Falles nie verstehen würden, was passiert war.
Ich verschmolz mit dem Weg und mit dem Leid in ihm. Es ist wirklich unglaublich wie viel der Körper im Angesichte des (vermeintlichen) Todes leisten kann, wenn man üblicherweise schon 3 mal gedacht hat, es geht nichts mehr. Es ist nur die Frage, was mobilisiert wird. So ist es auch im Geiste. Vorallem man selbst setzt sich die Grenzen.
Und so änderte sich langsam der Bewuchs, und die Bäume wichen zunehmend Gräsern und Flechten, die Steigung wurde langsam seichter. Ich stieß auf einen Wanderpfad, und beschloss ihm zu folgen. Bald kam ich an einer Hecke vorbei, die einen kleinen, ungangbaren Gang, der seitlich vom Wege abzweigte und ins Dickicht führte, ringsrum umschloss, so dass sie einen mannshohen Tunnel bildete. Ich beobachtete mich dabei, wie ich stehenblieb, wie an Wegesgabelungen allgemein üblich, und nun begann einen Entscheidungsprozess für einen der beiden Wege einzuleiten: Einer führt mit ansicherheit grenzender Warscheinlichkeit zu meinem Ziel, der andere ins Unbekannte. Der eine ist gangbar, der andere nur schwer. Der eine aber ist langweilig, und der andere reizvoll und abenteuerlich. Mein Forscherdrang obsiegte, und so schlug ich mich, obwohl es angesichts meiner momentanen Zielsetzungen völlig hirnrissig war, in die Brombeerhecke, um lustvoll zu erforschen wohin der Pfad führt. Ich muss dabei lachen und an eine Art Yoda denken, der sagt "sie an, sie an, der Forscher ist stark in dir, junger Mensch" Offenbar einer meiner grundlegendsten Wesenszüge.
Letztendlich gelangte ich zum Gipfel, als sich alle Schleusen öffneten, und die goldene tiefstehende Sonne mein Bewusstsein flutete. Ich hatte es tatsächlich geschafft, ich bin oben. Man kennt ja nun diese Spüche wie "Alles Leid vergessen machend" odersowas. Etwas viel gewaltigeres passierte. Ich erfuhr dort oben, dass (mein) Leid (in der Vergangenheit) überhaupt erst Ursache für (meine) Freude (im Jetzt) ist, und umgekehrt. Leid und Freude wurden eins. Das Leid wurde nicht vergessen, sondern gut gemacht. Ein Zustand vollkommenen transzendentalen Glücks, das über profane "Freude" weit hinausgeht, erfüllte mich, während ich dort einen Joint rauchte, den ich mir eingepackt hatte. Es war zwar nur ein kleiner Berg, aber für mich mehr als hoch genug gewesen, um zu "jedem berg" zu werden. Und höher ging es nicht mehr. Die Aussicht gab mir das Gefühl zu schmelzen. Der Berg hatte mich in liebevoller Güte geduldet, als ich auf seinen Rücken kletterte, und ich habe es allen Widrigkeiten zum Trotz durchgezogen. Es hat sich nicht nur wahrlich gelohnt. Es scheint auch einfach gut zu sein.
Ich meditiere ein wenig, sonne mich, und stelle langsam fest, dass ich ja auch noch wieder runter müsste. Hm. Die Grundlegende Eigenschaft eines jeden Berges ist offenbar, dass er 3 Phasen hat. Aufstieg, Gipfel und Abstieg. Wieder zogen sich unzaehlige Parallelen zwischen dem (alltäglichem) Leben und dem Berg. Dem Berg an sich. Und der Berg ist eine Parabel.
Mir wird klar, dass man sich nicht ewig auf dem Gipfel des Erfolges sonnen kann. Doch es fällt mir schwer, mich von dem Anblick der über den Wäldern und Tälern untergehenden Sonne zu lösen. Plötzlich fällt mir siedendheiß ein, dass zwischen der untergehenden Sonne und dem Tageslicht, das mich sehen lässt, ein unmittelbarer Zusammenang besteht, und ich unmittelbar absteigen muss. Eine Minute noch!...ich feilschte mit mir um Minute und Minute, bis die Sonne schließlich fast ganz verschwunden ist. Es erschien mir durchaus angemessen, für ein paar weitere Sekunden dieses sinnlich köstlichen Erlebens ernstliche Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen. Wohl ein weiterer grundlegender Wesenszug, dachte ich bei mir.
Schließlich stieg ich ab. Leider hatte ich nur grobe Peilung aus welcher Richtug ich gekommen war, und erinnerte mich kein Stück mehr an den Weg. Die Zeit schien schneller und schneller zu laufen, als sich die Dunkelheit langsam und so unaufhaltsam wie nichts sonst, über den Wald zu legen begann. Mir wird klar, dass ich Licht als selbstverständlich erachte, und dass man als moderner Mensch echter schwarzer Dunkelheit in vollem Ausmaße kaum mehr ausgesetzt ist. Ich merke, wie hilflos ich werde, und dass mir jedes bösartige Beuteltier in dieser Umgebung weit überlegen ist. Dieser Eindruck steigt scheinbar aus den tiefsten Wurzeln meiner Herkunft als Waldwesen auf, und es ist klar: Sieh zu, dass du hier raus kommst, eh du die Hand vor Augen nicht mehr siehst!
So jagte ich halb fallend, halb stürzend irgendwann mit meinem Feuerzeug als einziger Lichtquelle durch den dunklen Wald. Mehrfach änderte ich die Richtung, Anflüge von Panik, wo kam ich nur her? Ruhig. Sonst orientiere ich mich im Wald einfach am Rauschen der Zivilisation, dass aus einer bestimmten Richtung kommt. Pilzbedingt konnte ich mich aber für keine Richtung entscheiden, das Rauschen schien am ehesten noch aus meinem Innersten zu kommen.
Mein Unterbewusstsein kannte den Weg, bloß ich grad nicht, schließlich bin ich ihn hinzus ja gegangen. Die Frage ist, inwiefern ich diese Informationen aus meinem Unbewussten zugeteilt bekomme. Und so entschloss ich mich intuitiv für eine Richtung, hauptsache bergab. Ich war gespannt darauf, ob ich darauf programmiert bin, in derartigen Dunkelheiten unterzugehen oder doch noch mein Zuhause zu erreichen. Jenachdem würde mir das Unbewusste dann die benötigten Informationen zuteilen oder nicht. Mir wurde klar, wie wichtig der Begriff eines zu Hauses für mich ist, wie viel es mir bedeutet, und dass es Teil von mir ist. Der Gedanke an mein Zuhause trug mich über Steine und Wurzeln. Jeder Mensch hat eines. Home is where the heart is.
Plötzlich trat ich aus dem Wald, und stand vor kleinen Häusern. Euphorie erfasste mich. Aber keine Ahnung wo ich bin. Das könnte auch im Ausland sein. Eine Frau mit Hund kommt mir entgegen. Da der Hund mich schon von weitem ankläfft, und an der Leine zerrt, entschließe ich die Frau einfach zu fragen, wo ich bin. Als sie mich skeptisch mustert, wird mir klar wie ich auf sie wirken muss. Durchgeschwitzt und verdreckt und mehrfach emotional durchgefickt, stehe ich mit schwarzen Tellern vor ihr und frage sie, wie der Ort heißt, in dem wir uns befinden. Der Hund war nahezu am ausrasten, und als sie ihn beruhigt hatte, gab sie mir verdattert Auskunft. Als sie mir eröffnete, dass ich in meinem Nachbarort rausgekommen war, und ich meiner Freude darüber durch ein "Ja, Hey suuuuper, Falkenstein! Tausend Dank! Wunderschönen Abend noch!" zum Ausruck brachte, blieb sie konsterniert zurück. Schnell weg.
Als ich schließlich meine Haustüre erreiche, und den Schlüssel im Schloss umdrehe, eröffnet sich mir ein mitgefühlvolles, leicht melancholisches Bild auf mein naives früheres Ich, wie es im Glauben nur mal ne Runde im Wald zu spazieren, heute Mittag einst diese Tür verließ, ohne eine Ahnung, was alles passieren würde. Ich komme zurück in mein Leben, und esse einen Haufen Frikadellen, eh ich ins Bett falle und sterbe.
Ich habe einiges gelernt. Über mich, über Wege, über Dunkelheit, über Gipfel und über Berge.

Gruß
Schuh