Re: Philosophische Sprüche/Texte

226
Der Erlöser

Es lebte einmal eine Gruppe von Wesen auf dem Grund eines großen kristallenen Flusses. Jedes Lebewesen klammerte sich auf seine Weise fest an die Steine und Felsen des Flußbetts, weil Klammern ihre Art zu leben war, und wehrten sich gegen die Strömung, wie sie es von Geburt an gelernt hatten.

Aber ein Wesen sagte schließlich: Ich glaube, dass die Strömung weiß, wohin sie geht. Ich lasse einfach los, soll sie mich mitnehmen, wohin sie will. Wenn ich mich weiter hier festklammere, werde ich an Langeweile sterben.

Die anderen Wesen lachten und sagten: Du Narr. Laß los, und die Strömung, die du verehrst, wird dich gegen die Felsen schleudern und wegwirbeln, und du wirst schneller sterben als an Langeweile!

Das eine hörte aber nicht auf sie, holte tief Luft und lies los, und wurde sofort von der Strömung gegen die Felsen geschleudert und weggewirbelt. Aber weil das Wesen sich nicht mehr anklammerte, hob die Strömung es langsam vom Boden, und es wurde nicht mehr gequetscht und verletzt.

Die Wesen flußabwärts, die es nicht kannten, riefen: Schaut! Ein Wunder! Ein Wesen wie wir, aber es fliegt! Seht den Messias, er kommt, um uns alle zu retten!

Der eine, der von der Strömung getragen wurde, sagte: Ich bin nicht mehr als ihr ein Messias. Der Fluß hebt uns gerne in die Freiheit, wenn wir ihn nur lassen. Unsere wirkliche Aufgabe ist diese Reise.

Aber sie riefen um so mehr: Erlöser!. Und während sie sich weiter an die Felsen klammerten, schufen sie die Legende eines Erlösers.

Aus dem Buch "Illusionen" von Richard Bach
"Jeder Mensch befindet sich im Zentrum des Universums, denn er lebt im Mittelpunkt des unendlichen Raumes und in der Mitte der Ewigkeit."Albert Hofmann in "Einsichten Ausblicke"

Re: Philosophische Sprüche/Texte

227
@Viator: Sehr geil. Ich sollte mir das Buch besorgen.


"Ich scheiß auf euer denken, denn ich habe es bereits durchdacht!"
- Der 973. Stern am Himmel


Die Ansichten eines Misanthropen über die Liebe:
"Liebe bedeutet, jeden Morgen denselben hässlichen Menschen neben sich liegen zu sehen ...


Denn morgens sieht einfach jeder Mensch scheiße aus."
- Der 973. Stern am Himmel

Re: Philosophische Sprüche/Texte

230
Wenn sich nur offen genug mit etwas auseinandergesetzt wird, so ist darin stets auch etwas zu finden ...
Wir haben eine ältere Offenbarung als jede geschriebene, die Natur. Diese enthält Vorbilder, die noch kein Mensch gedeutet hat, während die der geschriebenen ihre Erfüllung und Auslegung längst erhalten haben.
Das Böse kann immer nur entstehen im innersten Willen des eigenen Herzens und wird nie ohne eigene Tat vollbracht.
Freude muß Leid haben, Leid in Freude verklärt werden.
Die Schöpfung ist keine Begebenheit, sondern eine Tat.
Die allgemeine Möglichkeit des Bösen besteht, wie gezeigt, darin, daß der Mensch seine Selbstheit, anstatt sie zur Basis, zum Organ zu machen, vielmehr zum herrschenden und zum Allwillen zu erheben, dagegen das Geistige in sich zum Mittel zu machen streben kann. Ist in dem Menschen das finstere Prinzip der Selbstheit und des Eigenwillens ganz vom Licht durchdrungen und mit ihm Eins, so ist Gott, als die ewige Liebe, oder als wirklich existierend, das Band der Kräfte in ihm.
Nur Persönliches kann Persönliches heilen, und Gott muß Mensch werden, damit der Mensch wieder zu Gott komme.
Alles aus F. W. J. Schellings Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände (1809)
My bubble -- my rules

Re: Philosophische Sprüche/Texte

232
Achte gut auf diesen Tag
denn er ist das Leben-
das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf
liegt all seine Wirklichkeit
und Wahrheit des Daseins,
die Wonne des Wachsens,
die Größe der Tat,
die Herrlichkeit der Kraft.
Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.

Das Heute jedoch, recht gelebt,
macht jedes Gestern
zu einem Traum voller Glück
und das Morgen
zu einer Vision voller Hoffnung.

Darum achte gut auf diesen Tag.


Rumi
~~ courage ~ compassion ~ connection ~~
~~ ~~ ~~ ~~ vulnerability ~~ ~~ ~~ ~~

~~ ~~ ~~ ~~ Γνῶθι σεαυτόν ~~ ~~ ~~ ~~

Re: Philosophische Sprüche/Texte

233
Mullah Nasruddin, eine fiktive Figur aus dem persichem Kulturkreis, deren Erlebnisse in kurzen lustigen Geschichten weiter getragen werden:

Der Mullah und der Mond

Eines Nachts ging der Mullah zum Brunnen. Denn er war durstig und wollte Wasser trinken. Da sah er, wie sich der Mond im Brunnenwasser widerspiegelte. Er wollte unbedingt den Mond retten, also warf er das Seil in den Brunnen hinein und zog. Der Wassereimer verklemmte sich dabei an einem Ecke eines großen Stein des Brunnenrandes. Also zog der Mullah kräftiger. Dabei riß das Seil und der Mullah fiel rückwärts zu Boden. Obwohl ihm nun alles Weh tat, sagte er fröhlich: "Es macht doch nichts, daß ich meinen Rücken verletzt habe, Hauptsache, der Mond ist wieder an seinem richtigen Platz."
Der Mullah als Prediger

Das Publikum bat den Mullah um eine Predigt, um ihn bloßzustellen. Darauf fragte der Mullah vom Altar aus sein Publikum: "Habt ihr verstanden?". Die erstaunten Zuhörer antworteten mit "Nein". Darauf sagte der Mullah: "Leuten, die nicht verstehen wollen, brauche ich auch nicht zu predigen."

Am darauf folgenden Freitag einigte sich das Publikum auf ein "Ja". Kaum stieg der Mullah auf Altar, fragte wieder seine Zuschauer, ob diese verstanden haben. Die Öffentlichkeit sagte: "Ja, Mullah, wir haben es verstanden." Darauf sagte der Mullah, Leuten, die verstanden haben, brauche ich nicht zu erklären."

Am nächsten Freitag einigten sich die Teilnehmer sowohl "Ja" als auch "Nein" als Antwort. "Der Teil, der verstanden hat, möge es dem anderen Teil, der nicht verstanden hat, erklären", sagte der Mullah und verließ den Altar.
Der Mullah und das Dampfbad

Zehn Freunde vom Mullah wollten ihn auf den Arm nehmen. Sie luden ihn ins Dampfbad ein und nahmen jeder ein Ei mit. Nach einer Weile begann die Runde, "Hähne" nachzuahmen. Jeder tat so, als ob sie ein Ei legen würde, nur der Mullah nicht.

Er ahmte nur einen Hahn nach. Die Spielrunde erklärte, daß der Mullah das Spiel verloren habe. Daraufhin sagte er: "Unter so vielen Hühnchen muß auch ein Hahn sein."

Der Mullah und der Esel

Der Mullah kaufte zehn Esel. Auf einem ritt er heim, und die anderen neun liefen voraus. Unterwegs zählte er die Esel, vergaß aber den, auf dem er ritt. Verärgert kehrte er zum Händler auf den Viehmarkt zurück: "Du hast mich betrogen, es sind nur neun Esel." Darauf sagte der Viehhändler: "Ich sehe sogar elf Esel." Der Mullah verstand es und entschuldigte sich bei dem Händler.


Der Mullah und das Lügen

Ein Mann kam zum Mullah und bat ihn: "Kann ich deinen Esel haben?"

"Sonst sehr gerne, aber heute ist mein Esel nicht da" sagte der Mullah. In diesem Augenblick schreit der Esel: "Iaaah". "Warum lügst du, Mullah? Dein Esel ist doch zu Hause!"

"Glaubst du mir oder dem Esel?", fragte der Mullah.


Der Mullah und die Eier

Der Mullah kaufte Eier für drei Afs pro Stück, färbte sie und verkaute sie anschließend für 2 Afs weiter. Da kam ein Bekannter zu ihm und fragte, warum er wohl so teuer kaufe und billiger verkaufe. Das ist unsinnig und gegen die Regel des Handels!

Der Mullah begründete: "Die Eier verkaufen sich wie warme Semmeln (Brötchen)."


Der Mullah und die Werbung

Der Mullah hatte eine schwache und magere Kuh. Eines Tages sagte seine Frau: "Mullah, bring die Kuh auf den Markt und verkaufe sie!" Er brachte sie of zum Viehmarkt, um sie zu verkaufen. Keiner kaufte sie, bis sich schließlich ein Viehhändler ihrer annahm. Er pries die Kuh über alle Maßen, besonders hob er hervor, daß sie extrem viel Milch gäbe. Da verlangte der Mullah seine Kuh zurück und sagte: "Wenn die Kuh so viel Milch gibt, dann verkaufe ich sie nicht." Er nahm die Kuh und ging nach Hause zu seiner Frau.


Der Mullah und die Schwangerschaft

Der Mullah bedankte sich bei der Nachbarin dafür, daß sie ihm einen Kochtopf geliehen hatte. An einem anderen Tag sagte die Nachbarin: "Mullah, du hast einen kleinen Topf in meinem Topf vergessen." Mit einem ernsten Ton sprach der Mullah: "Der Topf war schwanger und hat bei mir ein Baby bekommen."

Als sich der Mullah wieder einmal einen Topf bei der Nachbarin leihen wollte, gab sie ihm den größten, den sie im Hause hatte. Mehrere Tage vergingen und der Mullah brachte den Topf nicht zurück. Schließlich fragte die Nachbarin: "Wo ist mein Topf?" Der Mullah sprach ihr sein Beileid aus: "Er ist leider bei der Geburt gestorben." So ein Unsinn, erwiderte die Nachbarin, "Wie kann ein Topf denn sterben?" "Töpfe, die Junge bekommen, können auch sterben", antwortete der Mullah.


Der Mullah und die Einladung

Nach einer verlorenen Wette mußte der Mullah als Strafe die ganze Nacht im kalten Wasser des Baches verbringen. Seine Freunde haben darauf bestanden, daß der Mullah die Strafe wiederholen sollte, da an der Außenwand eine Lampe die ganze Nacht brannte, so daß er von den Strahlen dieser Lampe sich wärmen konnte.

Die Runde hat beschlossen, daß der Mullah alle zum Essen einlädt. Am nächsten Freitag lud er alle zum Essen ein. Die Gäste warteten auf das gute Essen, zumal aus der Küche sie noch die Klange des Geschirrs hörten. Ihre Magen knurrten und der Tafel war immer noch leer. Schließlich sind sie ungeduldig und fragten den Mullah: "Wo bleibt das Essen." Der Mullah sagte ihnen, daß das Essen noch nicht gar sei. Sie wollten unbedingt wissen, was für ein Essen ist es, daß so viel Zeit brauche. Der Mullah nahm die Gäste mit und brachte sie in seinem Hof. Dort stand auf einem Gerüst einen Topf mit Festessen. Darunter brannte eine Kerze. Die Gäste haben gesagt: "So ist es unmöglich, daß das Essen gar wird." "Wieso ist es unmöglich?" fragte er. Die Kerze ist noch nicht so weit, wie die Lampe an jener Nacht.
"if we are able to give priority to the meditation then all else will eventually fall into place on its own accord"

Re: Philosophische Sprüche/Texte

236
You know that it would be untrue
You know that I would be a liar
If I was to say to you
Girl, we couldn't get much higher

Come on baby, light my fire
Come on baby, light my fire
Try to set the night on fire

The time to hesitate is through
No time to wallow in the mire
Try now we can only lose
And our love become a funeral pyre

Come on baby, light my fire
Come on baby, light my fire
Try to set the night on fire, yeah
~Jim~ <3
My bubble -- my rules

Re: Philosophische Sprüche/Texte

237
Erraphex hat geschrieben:
Set your life on fire. Seek those who fan your flames.
~ Rumi ~
:knuddel:


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

(...)

Das symmetrische Leben hat mit einer Arbeit zu tun, die das Selbst an sich leistet und mit deren Hilfe die Heiterkeit als Haltung hergestellt wird. Heiterkeit ist die Haltung der Gelassenheit, im Sprachgebrauch gelegentlich zusammengezogen zum Ausdruck der "gelassenen Heiterkeit", der jedoch, folgt man dem Stoiker Seneca, zweimal dasselbe sagt. Seneca ist derjenige, der dem Begriff der Heiterkeit im 1. Jahrhundert n. Chr. eine stoische Fassung gibt. Als Übersetzung der griechischen euthymia wählt er den Begriff der tranquillitas; ihr widmet er seine Schrift "Über die Seelenruhe" (De tranquillitate animi), die von der Ungetrübtheit und Ausgeglichenheit der Seele handelt, nicht zu verwechseln mit Untätigkeit und Quietismus.

Grundlage der Heiterkeit ist das symmetrische, wohlorganisierte und ausbalancierte Selbst, die Festgefügtheit der Seele, die "mitten im Sturm" die Ausgeglichenheit zu bewahren und "mit leichter Seele" vieles hinzunehmen vermag. Die Grundlage von Heiterkeit ist die Erlangung von Selbstmächtigkeit. Um eine solche Selbstmächtigkeit zu erreichen, empfiehlt es sich, bei jeder Sache, die in Frage steht, sich darüber klar zu werden, ob sie "in meiner Macht" steht oder nicht und, wenn ja, wie weitgehend. Selbstmächtigkeit ermöglicht Gelassenheit, nämlich ein Lassen angesichts all dessen, was nicht "in meiner Macht" steht; dies geht mit einer Stärkung der Hinnahmefähigkeit einher.

Wahre Selbstmächtigkeit ist, aufgrund kluger Sorge, ein Freisein von ängstlicher Sorge, frei noch von Angst vor der Angst. Sie macht das Selbst stark genug, um auch schwach sein zu können. Die kluge Sorge bemüht sich um eine Festgefügtheit des Selbst, die keinen Einschluss des Selbst in sich, sondern größtmögliche Offenheit gegenüber Anderen und Anderem bedeutet. Dies kann aber nur erreicht werden - Seneca beschreibt diesen Weg recht präzise -, wenn man sich zunächst über sich selbst klarer wird, sich Rechenschaft ablegt über die Eigenheiten, die man mitbringt und füglich [<333, Anmerk. der Abschreiberin] zu beachten hat, um nicht Unangemessenes von sich selbst zu erwarten. Um das Verhältnis zu sich selbst zu stärken, bedarf das Selbst zudem der Freunde, "deren Heiterkeit Schwermut zerstreut und deren Anblick allein schon erfreut", ein Anblick, der gewiss nicht nur auf äußerlicher Schönheit beruht.

(...)
Aus: Die Wiederkehr der Heiterkeit: Zur Rehabilitierung eines philosophischen Begriffs
In: Wilhelm Schmid: Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst
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