Erraphex hat geschrieben:Nein, weil ich gewisse Bilder dieser Art aus mir kenne und über die Macht die sie haben immer erstaunt bin. Das geht so unendlich tief...
...und steht der Freiheit entgegen.
Ist die Macht sie zu erkennen und sein Verhalten dementsprechend zu modifizieren nicht ebenso erstaunlich, wenn nicht noch viel mehr? Nur dadurch, dass sie da sind und überwunden werden können, hat der Mensch doch die Möglichkeit - und hatte sie schon immer - sich weiterzuentwickeln. Und dass sie da sind, liegt im Menschen selbst. Eine Zeit lang in seinem Leben brauch er Bilder, die ihn mit dem umgehen lassen, das er noch nicht verstehen kann.
Insofern würde ich sagen, dass sie gerade die Freiheit begünstigen, wenn nicht sogar bedingen und nicht etwa ihr entgegen stehen ...
frei sie
zu überwinden und dann womöglich
frei von der Macht die sie haben, wenn sie nicht mehr benötigt werden.
... oder wie verstehst du hier Freiheit?
Erraphex hat geschrieben:Bin da vorsichtig - vor allem bei so mächtigen Bildern, die mich (bzw. meine Wahrnehmung) enschränken. Nicht dass bei meinen Nachbarn nicht jede Menge Bilder getriggert würden. Und trotzdem versuche ich immer wieder nur das Alleins und damit mich in ihnen zu sehen...
Einschränken? Im Grund konstituieren sie dich (bzw. deine Wahrnehmung) doch ganz wesentlich mit, so wie du sie, durch deine Wahrnehmung, mitkonstituierst. Die Bilder, die sich dir bezüglich deiner Nachbarn geben, kommen doch (das unterstelle ich dir einfach mal) nicht daher, dass du ein besonders vorurteilsbeladener Mensch bist, sondern haben ihre Situierung in deinem Mitsein mit den Nachbarn. Dass sie Proleten, Großkotze, Rücksichtslose oder was auch immer sind ist doch klarer, zugänglicher und greifbarer als etwa der Gedanke des Alleins, den du dir jedes mal im Ver-suchen neu kreieren oder zurechtlegen musst.
Ich schließe nicht aus, dass Bilder auch seeehhr viel Unheil anrichten, das üüüberhaupt nicht sein muss, indem sie ihren Betrachter in irgendeinen Irrweg führen. Doch können sie mir auch zeigen wer ich bin und wie ich mich in der Welt verhalte und weshalb. So empfinde ich es als massiv viel wertvoller und fruchtbarer mich ihnen nicht zu entziehen, indem ich sie kategorisch als behindernd und schlecht deklariere, sondern sie als Werkzeuge zu erkennen und zu benutzen, die mir Auskunft über meine Existenz geben können, wie es auf keine andere Weise möglich ist. Sie sind Indizien.
Erraphex hat geschrieben:Wenn man das wirklich ohne jeden Hintergedanken (im Sinne von einen Spass mit den anderen machen / sie nerven / etc.) macht dann kann man weit gehen,
sehr weit.

Und keiner (ok, die wenigsten) wird es einem ernsthaft nachtragen. Anyway, da gibt es ja noch eine RIESEN Grauzone und in der ist gut zu beobachten wie diese Eigenschaften auf positive Resonanz stoßen.
Sind persönliche Hintergedanken anderen zugänglich? Oder sind es nicht ebenso Bilder, die den Anderen meinen lassen erkennen zu können, ob und welche Hintergedanken im Spiel sind?
So haben z.B. die, die mich am Schmotzige Dunschtig vor einigen Jahren beim arbeiten mit Konfetti beworfen und gepiesackt haben dies nicht getan, weil sie wussten, dass mein Großvater wenige Stunden zuvor gestorben ist, sondern weil Fasnet war, sie die Korken haben knallen lassen und mein Gebärden und Verhalten zu lesen nicht imstande waren. Ich habe ihnen auch nichts diesbezüglich "ernsthaft nachgetragen", sondern vielmehr war es andersrum und von da an mein Ruf unter den Kollegen der eines Miesepeters.
Will sagen: Die Dinge kommen wie sie kommen und nur weil ich mir vielleicht das Alleins vor die Linse zu kleben imstande bin, ändert dies nichts an meiner Existenz, sondern eigentlich nur an meiner Wahrnehmung von ihr.
Dieses Alleins kann niemals überall Usus sein, sondern höchstens ein individuelles Ziel besonderen Wertes ... und damit fällt es imo auch unter die
Bilder.
Erraphex hat geschrieben:Sowas wie Offenheit? Das ist etwas urmenschliches. Oder was meinst du?
Ich würde Offenheit ebenfalls als etwas urmenschliches bezeichnen, wenn nicht sogar als die Grundstruktur menschlichen Daseins ... aber das kann sie imo nur sein, wenn man Verschlossenheit nicht als deren Widerpart, sondern als ein Mangel von Offenheit begreift - eine Art
Privation, wenn man so will. So in die Richtung von "kein Licht ohne Schatten". Wer nur das Licht sehen will und den Schatten solange meidet, bis er dem Aberglauben verfällt es gäbe ihn nicht mehr, der denkt auch das Dilemma des Höhlengleichnisses dadurch auflösen zu können, dass er Licht und Schatten einfach vertauscht. Er merkt nicht, dass er damit eigentlich nichts anderes macht, als sich seine eigene
Höhle zu graben, da er bereits andere Bilder wieder für Wahrheiten hält.
Das ist es imo, was Camus als
philosophischen Selbstmord bezeichnet. Eine Flucht in Überzeugung, die nur durch einen immer wiederkehrenden Verstandes- und/oder Vernunftsakt am Leben gehalten werden kann, weil diese Widersprüchlichkeit zwischen diesem denkenden Penner genannt Mensch und einer nicht in dessen Möglichkeitsbereich des Verstehens fallenden Welt unerträglich wurde.
So entstanden und entstehen auch Religionen und Naturwissenschaften ... imo alles vermeintliche Möglichkeiten des Verstehenkönnens, die dem Zweck der Beruhigung folgen, damit der Mensch nicht an seiner Unzulänglichkeit bezüglich seines Daseins in der Welt verzweifelt.
So gesehen erscheint mir die Konfrontation mit mich möglicherweise und oberflächlich beeinträchtigenden Bildern weniger "einschränkend", als es das bewusste vor Augen führen eines Alleins ist
In Evidenz, nicht Überzeugung, existiert der Mensch, der sich ernsthaft vorgenommen hat kein Opfer von
Bildern zu sein.
Sie dankend annehmen/zulassen und verstehen zu wollen, nicht sie abzuschaffen oder schlicht zu ignorieren, erscheint mir als der angemessene Weg.