Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind.

Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.

Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.


Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.
Warum erklären sich so viele ihr Erleben unter Psychedelikaeinfluss mithilfe religiöser oder spiritueller Elemente? Kann das Erleben wirklich mit einem Geist in den Pilzen erklärt werden? Kann für das Erleben tiefer Naturverbundenheit wirklich eine energetische Verbindung angenommen werden die einem klar wird unter dieser Substanz usw. usf.?

Oder handelt es sich hier nicht mehr um eine phantastische Erfüllung jener Bedürfnisse, die das harte reale Leben nicht bietet? Ist es nicht zum Teil so, dass spirituelles Erleben "in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend" ist?

Zum Zweiten, kann die Wirkung der Substanz möglicherweise aufgrund der spezifischen Weltanschauung nur in diesem Kontext gedeutet werden? Findet sich keine rationale Erklärung für das Erlebte?

Drittens, neigen spirituelle Personen vermehrt zu Psychedelikakonsum?

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Hallo NoName(und willkommen)

Warum nicht? Ich finde es nicht so einschränkend wenn Mensch über das "Vernünfteln", rationalisieren hinausgehen zu kann.
Ohne es halt abzulehnen (soll ja vorkommen, dass einige "spirituelle" oder selbsterklärte Mystiker ihren Verstand/Vernunft in die gelbe Tonne werfen wollen & umgekehrt)

Du siehst doch wohin es führt wenn man sich der schöpferischen Kräfte, der Beseeltheit allen Lebens usw... verschliesst. Das ist sicher ein Thema, das wirklich diskussionswürdig ist und sich so schnell nicht erschöpfen wird. Leider hab ich grad zu wenig Zeit um darauf ernsthafter einzugehen. Deswegen verzeih mir meine flüchtige und oberflächliche Antwort.

Kannst du ein mystisches Erleben denn wirklich allein mit deiner ratio/Vernunft erklären?

Und warum "Geist in den Pilzen"?... ich sehe es eher so, dass die Pilze&Co das Bewusstsein, die Wahrnehmung des Menschen zu einem größeren Lebensgeheimnis hin (kosmisch-wie irdisch) öffnen, der mensch ist ja nix abgekapseltes vom "All", das nur aus sich selbst und für sich selbst erlebt, sondern ich sehe es eher wie ein lebendiges kosmisches Netzwerk, an dem wir teilnehmen und oft baut sich durch diese Haltung eine andere Beziehung zu dieser geheimnissvollen Kraft auf. So spricht man auf einmal auch zu den Pflanzengeistern, Tiergeistern, Ahnen usw. Also alles ist in Kommunikation. Das schliesst ja deine Überlegungen zum Traume usw, überhaupt nicht aus.

Ich bin atheistisch erzogen worden, hatte mit Religiösität, Spiritualität (wobei ich dieses wort eh nich mag) usw eigentlich überhaupt nix am Hut, habe mich damit auch nicht "vermehrt beschäftigt".. auch in meinem Umfeld nicht...mir nix gewünscht (ok es gibt sicherlich auch unbewusste seelische Bedürfnisse (zu wissen wer wir sind usw)) und trotzdem verhalfen mir die ersten Trips zu einem sog. "mystischen Erlebnis". Für mich macht es das Leben ungemein ausfüllender, es nicht nur einseitig rational zu beschreiben und für alles mystisch-religiös-spirituell-energetische usw.. verschlossen über die Erde zu gehen. Du siehst doch wohin das geführt hat. Zu einer kalten, "maschnistischen" Lebens-und Denkweise, die alles zu trivialisieren sucht. Darauf könntest du sicherlich was entgegegnen :-))

Es ist für mich ein großer Unterschied ob ich die Welt zb so beschreibe als sei alles nur ein Klumpen zufällig zusammengewürfelter Materie oder sie so zu beschreiben das alles beseelt ist, bis in den kleinsten Detail.

Für vieles was wir während des Trips erleben finden sich nichteinmal Begriffe, zumindes keine Begriffe der Vernunft, die all das erfassen würden.

>Drittens, neigen spirituelle Personen vermehrt zu Psychedelikakonsum?

Ka. Ich kenne solche und solche.

Ich sags mal so...im Menschen gibt es ja die zwei wesentlichen Impulse. Einerseits den mystischen Impuls und andereseits den wissenschaftlich-rationalen, der "uns vom Tier abhebt" wie manche Philosophen meinen. Ich weiss nicht wers war, aber ich sehe es ganz ähnlich, daß es mehr darum gehen muss/kann, diese zwei "Richtungen"/Impulse miteinander auszusöhnen, statt dieses oder jenes abzulehnen.

Wie gesagt, deine Fragen verdienen eigentlich ein größeres eingehenderes Feedback.
Vielleicht später mehr dazu.

Bis dann.

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Hallo. :)
Noname hat geschrieben:Warum erklären sich so viele ihr Erleben unter Psychedelikaeinfluss mithilfe religiöser oder spiritueller Elemente?
Was genau wären denn beispielsweise religiöse Elemente deiner Ansicht nach? Ich finde es recht schwierig, da eine genaue Abgrenzung zu treffen. Das Singen eines Mantras zB hat ja auch eine psychologische Funktion - geht aber zudem in Bereiche der Metaphysik und auch traditionell-religiöser Praxis. Wo genau fängt da jetzt die Religion an? Magie, Religion und Wissenschaft gehen nahtlos ineinander über, imho.
Kann das Erleben wirklich mit einem Geist in den Pilzen erklärt werden?
Ich für mich wüsste alles in allem kein treffenderes Erklärungsmodell, bediene mich auch gerne mal anderer und bin stets offen für neues. ;)
Kann für das Erleben tiefer Naturverbundenheit wirklich eine energetische Verbindung angenommen werden die einem klar wird unter dieser Substanz?
Natürlich. Oder nicht? :denk:
Oder handelt es sich hier nicht mehr um eine phantastische Erfüllung jener Bedürfnisse, die das harte reale Leben nicht bietet? Ist es nicht zum Teil so, dass spirituelles Erleben "in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend" ist?
Die Entdeckung der "Wunderhaftigkeit" der Welt mag zwar auch das "harte reale Leben" ( :lol: ) aus einem neuen Blickwinkel zeigen... sicher aber hilft einem ein solcher Weg in keinster Weise dabei, die Augen vor was auch immer zu verschließen, meiner Ansicht nach. Die Entdeckung der Wunderhaftigkeit kann zudem auch bereits erfolgen, wenn man noch nicht den geringsten Schimmer von "wirklichem Elend" hat.
Zum Zweiten, kann die Wirkung der Substanz möglicherweise aufgrund der spezifischen Weltanschauung nur in diesem Kontext gedeutet werden?
Nein, man kann sie zB teils auch rein neurophysiologisch erklären, wenn das gerade zweckdienlich ist. Nur gibt einem dieses Modell beispielsweise verhältnismäßig wenig Material zur "Navigation" an die Hand. Wenn du dasitzt und erlebst etwas, so kannst du dir zwar denken, dass das gerade an deinem erhöhten Serotoninspiegel liegt, aber wohin führt dich das?
Findet sich keine rationale Erklärung für das Erlebte?
Ist Spiritualität oder Arbeit mit 'Spirits' denn wirklich irrational deiner Ansicht nach?

Gruß
Schuh
~ Resting in Peace ~

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Noname hat geschrieben:Warum erklären sich so viele ihr Erleben unter Psychedelikaeinfluss mithilfe religiöser oder spiritueller Elemente?
Warum nicht? Wenn es nun mal ein wesentlicher Teil der Erfahrung ist, und wenn dieser Teil nur in solchen Begriffen verstanden und kommuniziert werden kann. Wie sollte man eine spirituelle Erfahrung allein mit rationalen Begriffen erklären können? Wenn man die psychedelische Erfahrung mit Chemie und Physik erklärt, beinhaltet das nur die äußerlich beobachtbaren Phänomene. Ergänzt man die äußerlich beobachtbaren Phänomen um die - ausschließlich - innerlich beobachtbaren Phänomene, so erhält man ein ganzheitliches Bild. Weder allein die äußere Perspektive noch allein die innere Perspektive führen zu einem ausgewogenen Ergebnis. Außen und Innen, das Objektive und das Subjektive, Wissenschaft/Ratio und Mystik/Religion/Spiritualität sind zwei Seiten einer und derselben Medaille.

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Die Fragen gefallen mir irgendwie mehr und mehr. Halte die Fragen eh für wichtiger als die Antworten.
So, um noch mal anzusetzen:
Warum erklären sich so viele ihr Erleben unter Psychedelikaeinfluss mithilfe religiöser oder spiritueller Elemente?
Kann das Erleben wirklich mit einem Geist in den Pilzen erklärt werden?
Die profunde, mystisch-psychedelische Erfahrung scheint(!) mir eigentlich nur der Fruchtboden, oder um eine andere Metapher zu wählen, der "Rohling" zu sein, auf dem zB Mythen, Religionen, sonstige Weisheitslehren usw gedeihen/aufsetzen/gebildet werden können.

Ich halte hier die C'sche Unterscheidung zwischen "Sehen" & "Schauen für zweckdienlich. Also zwischen dem unmittelbaren Wahrnehmen/Wissen und dem (an)Schauen.

Ich frage mich auch, was heisst in dieser Problematik "erklären", oder was soll mit einer Erklärung/Beschreibung wie dieser bezweckt werden? Was wird denn da er-klärt?

Wenn der Urwaldschamane bspw von einem Geist in der Liane spricht, dann möchte er scheinbar nahelegen, daß die Natur/die Welt/das All intelligent ist, also eine bestimmte Haltung in sich bzw im Hörer entwickeln/bewirken, durch die er sich der Natur, dem Mysterium, dem Geistigen achtungsvoll annähern kann, falls er (der Hörer) selbst noch nicht psychedelisch (oderwieauchimmer) erfahren ist. Dem, ders erlebt, muss mans ja bekanntlich nich erklären, und dem ders nicht erlebt kann mans nicht erklären... wer sagte das, leary, huxley. k/a. wuarscht.

Anders gesagt, er möchte uns auch vor der Torheit bewahren nicht nur den sichtbaren Teil der Welt, oder wie flow sagte, das "Äußere" der Natur zu sehen, was, so kann der Psychedeliker oder Mystiker ja bestätigen, nur ein kleiner "Teil" ihres unergründlichen Wesens ist. Was wir von einem Stein sehen, ist nicht das ganze Wesen des Steines. Was wir von einer Pflanze schauen, nicht das ganze Wesen der Pflanze usw. Er weist uns also auf das unsichtbare Wirken hinter bzw in den Dingen/Erscheinungen hin.
Kann für das Erleben tiefer Naturverbundenheit wirklich eine energetische Verbindung angenommen werden die einem klar wird unter dieser Substanz usw. usf.?
Bateson sprach zum Beispiel von einem "Muster, das verbindet", einem Muster der Muster usw... HvF setzte diesem männlichen Prinzip ein weibliches entgegen, "die Matrix, die einbettet". Und das beschreibt primär ja etwas, das wir direkt erleben können, nicht nur während eines Trips. Das eingebettet & geborgen sein in die "Welt", der "Großen Mutter" wenn man so will, das kann während des Psychedelikaeinflusses also so erlebt werden und wird somit nicht nur "angenommen". Unter einer "Annahme" verstehe ich etwas anderes.

Dieses Erleben geht bei unserem Psychedeliker voraus (Am Anfang war die TAT -Goethe). Etwas anderes ist es, wenn diese Erfahrungswelten dann sprachlich organisiert werden, wenn der Mensch also seine "Wahrheiten/Einsicht" sprachlich zusammensetzt, und seine "Kunde" bringen möchte, das stellt einen eben vor das Problem der Sprache, die eine Erfahrungswelt ausdrücken will, die über den verbalen symbolischen Verstand hinausgeht.

Hier kommen die Annahmen ins Spiel, die über die (überprüfbare) Erfahrungswelt, hinausprojeziert werden.

Vico schreibt zB in seiner Scienza Nuova "...daß wir für die Äußerung unseres Verstehens geistiger Dinge, Hilfe bei unserer Phantasie suchen müssen, um sie zu erklären und um wie ein Maler menschliche Bilder von ihnen anzufertigen."

Dieser poetische Akt des Sprechens in Metaphern, welche dann zb weitergegeben und weitergegeben werden, bis daraus in späteren Generationen Mythologien sich bilden usw führte laut Vico dazu, daß deren Anfang in der Imagination von den Menschen vergessen wurde & nun für Wissen genommen wird, das irgendwann mal jemand in grauer Vorzeit aus TATsächlicher Erfahrung abstrahiert hat. Sie müssen das nichtmal mehr selbst erleben, sie glauben es einfach nur noch oder auch nicht, was sie so lesen. Hierin sehe ich dann schon eher den "opioiden Gedanken" Marxens, daß sie, was einst lebendige Poesie der unmittelbaren Erfahrung war, also der Geist selbst, der sich in Worte kleidete, einfach nur noch "glauben",.. Deckel auf - "theologische/esoterische/naturwissenschaftliche Weißdergeierwissen" rein, Deckel zu, ...und das ist zugegebenermaßen schon etwas schräg von so einem "Wissensbegriff" auszugehen.

Andererseits könnte man sagen, daß diese weitergebenen Fabeln, die da verknüpft wurden, ja auch wiederum dazu dienen, eine Haltung zu entwickeln, die eine solche unmittelbare Erfahrung begünstigen, in der der Mensch eben wieder frei wird von diesen "Annahmen" & HilfsIdeen und dadurch zum unmittelbaren/direkten Wahrnehmen gelangt, zu verstehen beginnt & dieses Erleben wohlmöglich wiederum in eigenen Worten und Begriffen kundtut. Ok das dieses ganze Thematik viel verzwickter ist, ist klar, aber das würde wohl den Rahmen sprengen.
:)

Oder handelt es sich hier nicht mehr um eine phantastische Erfüllung jener Bedürfnisse, die das harte reale Leben nicht bietet? Ist es nicht zum Teil so, dass spirituelles Erleben "in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend" ist?
Ähm.. ja zum Teil könnte man das so auffassen, stimmt. ;)
Man könnte nämlich auch sagen, daß ein Teil dieses Elend, eben dadurch kommt, das wir "vergessen" haben, also vom (wirklichen) HEIL abgewichen sind. Hier setzen dann natürlich die ganzen Religionen, spirituellen Lehren usw an, aber auch Psychologie, Medizin etc.. wie auch immer.
Zum Zweiten, kann die Wirkung der Substanz möglicherweise aufgrund der spezifischen Weltanschauung
nur in diesem Kontext gedeutet werden?
Ist das nicht irgendwie wiederum eine "Anschauung" halt nur als Frage verkleidet?
:verwirrt:

Ich kann mich scheinbar nur der Bezugssysteme bedienen, die ich gegenwärtig kenne, schon entwickelt habe,
und die sind auch von Mensch zu Mensch verschieden, ja.

Ok ich/du/wir könnte neue Begriffe entwickeln.

So wie ich mir ein Etwas anschaue und es dann per ratio quasi in seine Bestanteile/Glieder zerlegen kann, mir also einen Begriff von diesem "Etwas" bilden kann ..sagen wir "Füllfederhalter", mag das für gewisse geistige-seelische Vorgänge und Prinzipien auch noch gehen, aber, so scheint mir, geht es bei dem unmittelbaren (psychedelisch-mystischen) Erleben eben nicht mehr nur um "Etwasse", daß ist wohl das Problem. Da führt man dann Begriffe wie das (persönliche&kollektive) "Unbewusste" usw usf ein, was auch nur, wie der olle Borges einmal anmerkte "..ein schäbiges Wort für das ist, was einst der heilige Geist genannt wurde".
:panik:

Puhu, ich ende mal hier.. etwas wirr,, aber danke nochmal für die Fragen! :)

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Ich will auch mal :)
Noname hat geschrieben:Warum erklären sich so viele ihr Erleben unter Psychedelikaeinfluss mithilfe religiöser oder spiritueller Elemente?
Weil wir alle Menschen dieser Welt sind und deshalb unser Erleben unter Psychedelikaeinfluss mithilfe rel. oder spirit. Elemente zu erklären versuchen, wie wir astronomische Planetengravitation mithilfe physikalischer Elemente zu erklären versuchen.
Noname hat geschrieben:Kann das Erleben wirklich mit einem Geist in den Pilzen erklärt werden?
Klar kann es das. Klingt so, als hättest du schon viele solcher Erklärungsversuche gelesen oder wärest dem Pilzgeist schon selbst begegnet ... ob du oder sonstwer das für seine Wahrheit annimmt, das is wieder was anderes ;)
Noname hat geschrieben:Kann für das Erleben tiefer Naturverbundenheit wirklich eine energetische Verbindung angenommen werden die einem klar wird unter dieser Substanz usw. usf.?
IMO ja, absolut :nick: Es besteht definitv eine tiefe und direkte Naturverbundenheit und auch bzw oder eine energetische Verbindung (die beiden Begrifflichkeiten sind imo deckungsgleich, wenn man so will) zu dieser unsrer Welt. Sie ist uns und vice versa; letzteres türlich nur ein winzig kleines Bischen (im Vergleich zum Erstgenannten :lol: ) - so viel oder wenig, wie der Einzelne es zulässt ...
... achja, und ja, das spürt man auch und wahrscheinlich nicht selten stärker unter dem Einfluss psychedelischer Substanzen.
Noname hat geschrieben:Drittens, neigen spirituelle Personen vermehrt zu Psychedelikakonsum?
Ich tippe auf "nein", nicht vermehrt ... außer du nimmst an, dass spirituelle Personen vermehrt mit dem Thema Psychedelikakonsum in Kontakt kommen (weil sie spirituell sind womöglich?! ;) ), dann tippe ich auf "ja", tun sie :nick:
Was sind spirituelle Personen? - Reicht es der Überzeugung zu sein ein spiritueller Mensch zu sein, um es zu sein? - Wenn "nein", wer entscheidet es sonst?
My bubble -- my rules

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Hallo. Danke für die Antworten.

1.) Ad Geist der Pilze

Nachdem es Hofmann 1958 gelang Psilocybin zu synthetisieren und als Wirkstoff der Zauberpilze auszumachen, reichten ihm für diesem Beweis nicht nur Selbstversuche oder Versuche anderer Wissenschafter oder Interessierter. Er händigte Maria Sabina synthetisches Psilocybin in Tabettenform aus. Sie bestätigte den Forschern später, dass diese den "Geist der Pilze" - so zumindest Hofmanns Wortwahl - in den Tabletten gebannt hätten. Sie wusste nicht und konnte aus ihrer Weltanschauung heraus auch garnicht begreifen, wie die Zauberkräfte gebändigt und übertragen werden konnten. Hofmann aber war zur Überzeugung gelangt, die Zauberpilze entzaubert zu haben. Ist ja für die synthetisch hergestellte chemische Verbindung Psilocybin kein Pilzmaterial notwendig, nur bestimmte chemische Grundstoffe die eine bestimmte Verbindung eingehen müssen.

Nicht umsonst werden für wissenschaftliche Studien oftmals drei Versuchsgruppen gebildet, wovon die ersten beiden nicht Wissen, in welcher Gruppe sie sich befinden: Die erste bekommt einen Wirkstoff, die zweite ein Placebo, die dritte ist eine Kontrollgruppe der nichts ausgehändigt wird. Und oftmals gibt es auch Doppelblinde Studien: Auch die Studienleiter selbst wissen während des Versuchsbalaufs nicht, wer das Placebo und wer den Wirkstoff bekommen hat. Warum dies alles? Weil die Psyche sehr mächtig ist, sie tendiert oft dazu, Erwartungen zu Realitäten zu machen. Dies geht bis in dem physiologischen Bereich.

Aus diesen beiden Punkten ergibt sich für mich folgende Frage: Was würde passieren, wenn jemand synthetisches Psilocybin konsumiert unter der Annahme, es handle sich um LSD. Oder umgekehrt wenn LSD konsumiert wird unter der Annahme, es handelt sich um Psilocybin. Würde kein unbeträchtlicher Teil der Versuchsobjekte den Geist der Pilze plötzlich nicht entdecken obwohl sie Psilocybin konsumiert haben; oder trotzdem entdecken, obwohl sie kein Psilocybin konsumiert haben? Würde selbst ein Teil der Placebogruppe leichte Veränderungen spüren, die auf eine Wirkstoffeinnahme zurückgeführt wird. Und könnten die Studienleiter von Aussen differenzieren wer was genommen hat?

meine These ist, dass diese Pilzgeist-Wirkung mehr auf eine Erhaltungswartung und den Gedanken- und Ideenhorizont der Person zurückgeht, als auf eine typische Wirkung der Substanz. Es handelt sich um lang tradierte Vorstellungen bekannter Persönlichkeiten und deshalb sind sie auch so wirkmächtig. 2. Die Entdeckung und Wahrnehmung des Pilzgeistes hängt eng damit zusammen, mit welchen Begriffen, innerhalb welcher Bedeutungskontexte und mit welchen Erzählungen über die Wirkung gesprochen wird.

Wenn durch die Brille der Weltauffasung scheinbar unerklärliches gesehen wird, ausgelöst durch Psychdelikakonsum, dann muss dieses scheinbar widersprüchliche Erleben in die Weltauffasung integriert werden. Dies passiert oftmals im Muster des übernatürlichen/religiösen/spirituellen; oder umgekehrt wird das erlebte bagatellisiert, als sinnloser geistiger Ausfluss erklärt. Nur selten wird mit zurhilfenahme psychologischer Überlegungen gearbeitet. (zu diesem thema siehe auch meinen Thread über Traum und Trip) Dies bringt mich auch zum zweiten Punkt:

2.) Die Ersetzung spirtueller/religiöser Erklärungsmuster durch Psychologische
Ergänzt man die äußerlich beobachtbaren Phänomen um die - ausschließlich - innerlich beobachtbaren Phänomene, so erhält man ein ganzheitliches Bild.
Genau der Meinung bin ich auch, nur dass ich die innerlich beobachtbaren Phänomene als Produkt der Psyche auffasse und daher nicht spirituell sondern psychologisch erklären will. Oder um es etwas prägnanter zu formulieren: Es geht darum zu erklären, warum bei vielen Menschen solche Erlebnisse in spiritueller Weise im Bewusstsein verarbeitet werden. Wie schon angedeutet führe ich das auf das herrschende Denken (die herrschenden Ideologien) zurück sowie speziell auf die Unter/Falschbewertung der psychischen Prozesse während Psychedelikakonsums. Ich meine alles Erleben während der Einnahme eines dieser Stoffes ist wesentlich durch die individuelle Psyche, den Stoff der auf sie einwirkt, und die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt die die Basis unserers Denkens und Fühlens bilden. Die Wirkung des Stoffs ist dabei nur allzu menschlich, ähnelt sie doch schizoiden Psychosen und dem Traum in entscheidenden Punkten.

Religion und Spiritualität besitzt nur insofern eine Realität, als dass diese von Menschen produziert wurde und wird, um sich die Welt zu erklären und in ihr zu leben. Sie besitzt keine Realität außerhalb dieser menschlichen Produktion. Nur als Produkt der menschlichen Tätigkeit ist die Religion real. Der Mensch macht die Religion. Nicht umgekehrt. Wenn die Menschen aufhören Religion zu machen, dann ist diese auch tot. Aus der Welt verschwunden.

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Noname hat geschrieben:meine These ist, dass diese Pilzgeist-Wirkung mehr auf eine Erhaltungswartung und den Gedanken- und Ideenhorizont der Person zurückgeht, als auf eine typische Wirkung der Substanz.
Wie willst Du einwandfrei beweisen, dass diese These wahr ist?
Noname hat geschrieben:Wenn durch die Brille der Weltauffasung scheinbar unerklärliches gesehen wird, ausgelöst durch Psychdelikakonsum, dann muss dieses scheinbar widersprüchliche Erleben in die Weltauffasung integriert werden. Dies passiert oftmals im Muster des übernatürlichen/religiösen/spirituellen; oder umgekehrt wird das erlebte bagatellisiert, als sinnloser geistiger Ausfluss erklärt. Nur selten wird mit zurhilfenahme psychologischer Überlegungen gearbeitet.
Wie erklärt man z.B. eine Einsicht in das allgegenwärtige göttliche Wirken, ein Unio Mystica-Erlebnis oder eine außerkörperliche Erfahrung ohne Zuhilfenahme spiritueller Überlegungen? Ist nicht selbst die Psychologie ab einem gewissen Punkt auf spirituelle Begriffe und Symbolik angewiesen (wenn ich z.B. an Jung oder an die transpersonale Psychologie denke)?

Wie sollten wir jemals um spirituelle Aspekte herumkommen, wenn wir psychedelische Erlebnisse verstehen wollen, wo doch Spiritualität seit jeher ein fester Bestandteil des Weltverständnisses gewesen ist?

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Hallo Noname. :wink:

Ich freue mich immerwieder, wenn ich mich an jemandes Standpunkt reiben kann, und so freue ich mich auch außerordentlich, dass du hier bist. :bow:
Nur das versetzt mich in die glückliche Lage meine eigene Position zu überprüfen.. und mein Schwert zu schärfen. Also let's go. :)
Hofmann aber war zur Überzeugung gelangt, die Zauberpilze entzaubert zu haben. Ist ja für die synthetisch hergestellte chemische Verbindung Psilocybin kein Pilzmaterial notwendig, nur bestimmte chemische Grundstoffe die eine bestimmte Verbindung eingehen müssen.
Hat Hofmann wirklich mal sowas geäußert? Entzaubert?! Würde mich überraschen. Ich kann diese Konklusion auch nicht ganz nachvollziehen. Warum sollte der Geist "entzaubert" sein, nur weil man ihn in eine Flasche bannt, und versteht wie man ihn... und ich wähle dieses Wort jetzt mal bewusst... "beschwört"? ;)
Was würde passieren, wenn jemand synthetisches Psilocybin konsumiert unter der Annahme, es handle sich um LSD. Oder umgekehrt wenn LSD konsumiert wird unter der Annahme, es handelt sich um Psilocybin. Würde kein unbeträchtlicher Teil der Versuchsobjekte den Geist der Pilze plötzlich nicht entdecken obwohl sie Psilocybin konsumiert haben; oder trotzdem entdecken, obwohl sie kein Psilocybin konsumiert haben? Würde selbst ein Teil der Placebogruppe leichte Veränderungen spüren, die auf eine Wirkstoffeinnahme zurückgeführt wird.
Ich würde entgegengesetzt dazu behaupten, dass jeder, der über einen gewissen Erfahrungsschatz verfügt, LSD von Psilocybin in einem Doppelblindversuch weit überzufällig häufig voneinander unterscheiden könnte. Nicht allein aufgrund der Wirkdauer, auch allein aufgrund des Wirkprofils. LSD wird von vielen weit "neutraler" beschrieben als Psilocybin, es öffnet quasi einfach einen Raum. Der aber unsagbar weit ist. Psilocybin hingegen lässt eine gewisse Eigendynamik erleben, und ist von sich aus zudem weit ruppiger und emotionaler. Psilocybin ist nicht neutral. Es "macht" mehr mit einem, was manchen zu dem Eindruck gelangen lässt, passiv von etwas (einem 'Geist', einer Intelligenz) gelehrt zu werden. Den Unterschied sprachlich voll einzufangen und festzunageln ist natürlich schwierig. Mir gefallen was einen Vergleich anbelangt, die Bilder Sportwagen/Pferd oder Zucker/Honig ganz gut.
meine These ist, dass diese Pilzgeist-Wirkung mehr auf eine Erhaltungswartung und den Gedanken- und Ideenhorizont der Person zurückgeht, als auf eine typische Wirkung der Substanz. Es handelt sich um lang tradierte Vorstellungen bekannter Persönlichkeiten und deshalb sind sie auch so wirkmächtig.
Dagegen spräche, dass viele/die meisten hier diesen Entheogenen begegnen, ohne vorher in Kontakt mit einem entsprecheden kulturellen Background gewesen zu sein, und ihre Erfahrungen erstmal sammeln, ohne zu wissen, worauf sie sich da eigentlich einlassen; Und dennoch zu diesen Eindrücken gelangen.
Die Entdeckung und Wahrnehmung des Pilzgeistes hängt eng damit zusammen, mit welchen Begriffen, innerhalb welcher Bedeutungskontexte und mit welchen Erzählungen über die Wirkung gesprochen wird.

Da würde ich jedoch dennoch zustimmen! Die Annahme eines "Geistes", einer Welt hinter dem Offensichtlichen, setzt jedenfalls zumindest voraus, dass hier geltende materialistische Doktrinen hinterfragt und nicht als gesetzte Wahrheit betrachtet werden. Dies kann im Rahmen einer mystischen Erfahrung jedoch quasi automatisch geschehen. Nicht umsonst wird im Zusammenhang mit einer solchen Erfahrung oft von einer "Zerschmetterung des Weltbildes" gesprochen.
Wenn durch die Brille der Weltauffasung scheinbar unerklärliches gesehen wird, ausgelöst durch Psychdelikakonsum, dann muss dieses scheinbar widersprüchliche Erleben in die Weltauffasung integriert werden. Dies passiert oftmals im Muster des übernatürlichen/religiösen/spirituellen; oder umgekehrt wird das erlebte bagatellisiert, als sinnloser geistiger Ausfluss erklärt. Nur selten wird mit zurhilfenahme psychologischer Überlegungen gearbeitet.
Wittgenstein sagte mal: Das unerklärliche (mystische) ist nicht unbedingt wie die Dinge sind, sondern dass sie sind. Ich wüsste nicht, wie ein psychologischer Ansatz dieses Wunder erklären oder entkräften könnte. :lol: Wenn man entdeckt, dass der Mensch nicht von seiner Außenwelt abstrahiert werden kann (sind die Geräusche die du gerade vernimmst in deinem Kopf oder außerhalb?), und man entdeckt, dass diese Außenwelt ein lebendes, atmendes, pulsierendes Wunder ist, so weiß ich nicht, was es da groß zu psychologisieren gäbe. Aber nur zu. :nick:

Daher schließe ich mit folgenden Worten:
Die Ersetzung spirtueller/religiöser Erklärungsmuster durch Psychologische.
Spiritualität bedeutet für mich nicht, dieses Wunder erklären zu können, sondern es voll Staunen wahrzunehmen.

Gruß
Schuh
~ Resting in Peace ~

Re: Religiosität, Spiritualität und Psychedelika

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Dr.Schuh hat geschrieben:Spiritualität bedeutet für mich nicht, dieses Wunder erklären zu können, sondern es voll Staunen wahrzunehmen.
:)
Daran anschließend könnte man sagen: Religiösität heißt Glaubenssätze wahr nehmen, also eine Auswahl von Geschichten.
Und jede Geschichte kann Keimzelle eines Kultes und damit einer Religion werden. Z.B. die Geschichte vom Jungen, der die Mutter poppen will und darum den Vater hassen muss. Ich persönlich mag weder die moderne Version dieser Geschichte noch ihren Verfasser, aber wem sie gefällt, der möge daran glauben und / oder damit arbeiten.
Noname hat geschrieben:Religion und Spiritualität besitzt nur insofern eine Realität, als dass diese von Menschen produziert wurde und wird, um sich die Welt zu erklären und in ihr zu leben.
Sie besitzen ihren Wert, als Geschichten, die von vielen in sich getragen werden und die so Realität mitformen. Sie werden produziert, weil wir in ihr leben, aber du begreifst/ befühlst dieses weil nur in eine Richtung, ist mein Eindruck.
:2cents:

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