Liebe Community,
der persönliche Standard, die interne Regulierung. Ich möchte euch kurz veranschaulichen, weshalb manche Erfahrungen - und mögen sie noch so inspirierend und persönlichkeitsfördernd sein - nicht allgemein sinnvoll sind.
Unser Charakter ist so ausgeprägt, dass er sich auf besondere Umstände und Situationen einstellt. Wenn eine Periode dauerhafter Einschränkung bevorsteht, schafft es unser Geist, ein Gleichgewicht innerhalb dieses Zeitraumes herzustellen - wir vergleichen das Leid, welches wir dieserzeit empfinden, nicht länger mit der Freude der Zeit vordem, sondern passen uns kontinuierlich unseren Lebensbedingungen an.
Misserfolge summieren sich zwar, werden aber nicht weiter als einschneidende oder ausfallende Gefühlsbrüche erlebt. Wir gewöhnen uns allmählich an unser Schicksal und nehmen das Leben umso schwieriger, wenn nach langen Perioden der Gewohnheit ein außergewöhnlicher Schicksalsschlag eintritt. Je stärker der Kontrast zwischen der aktuellen Situation und der einbrechenden Zeit, desto härter wird zu Anfang das individuelle Empfinden.
Aber auch im positiven Sinne können wir uns an das Glück, welches uns zuteilwird, gewöhnen. Besonderheiten werden durch einen gewohnheitsmäßigen Verzehr schnell zu Belanglosigkeiten, später zu Süchten. Tiefe Erfahrungen wecken schnell die Ahnung des täglich Möglichen und verschlingen das natürliche Glück.
Ein Beispiel:
Mir ist vor kurzem aufgefallen, mit welcher Begeisterung ich meine ersten Erlebnisse mit Cannabis empfunden habe. Ein Abend damit, sei es mit schöner Musik oder einem Film, wurde zu einem außergewöhnlichen Erlebnis, welches noch tagelang nachklang. Heute geht es mir mitunter so, dass ich während des Cannabis-Erlebens darüber nachdenke, wie intensiv und erfüllend meine Vergangenheit mit dem grünen Kraut aussah. Ein Abend gänzlich ohne erscheint mir oft, nicht immer, langweilig und weniger erlebenswert.
Die glanzvolle Pracht hat sich in den Alltag geschlichen und regiert meine Erinnerungen um die Besonderheit der Zeit. Ähnlich verhält es sich auch mit intensiven Momenten und Erfahrungen der vergangenen 24 Monate. Mit oder ohne Drogen. Ich habe Grenzen durchbrochen, habe mehrfach über den Tellerrand hinaus gesehen, habe die Welt - weggerückt von meiner subjektiven Färbung - kennen gelernt und stehe heute an einem Punkt, tausendmal weiser zu sein, als vordem, doch die Last des erhöhten Wissens tragen zu müssen.
Doch wie drückt sich diese Weisheit aus? In einer intellektuellen Fülle, in außergewöhnlichen Ideen oder einer Wahrnehmung jenseits des Alltagsbewusstseins? Mit Worten auszudrücken, was mein Erleben gezeichnet hat und was mir das Fühlen offenbarte, ist schon lange Zeit nicht möglich - mit Worten schaffe ich gegenwärtig nur einen sprachlichen Rahmen, eine Brücke zur Erinnerung, eine Waffe gegen das Vergessen.
Aber mir erscheint es mehr und mehr, als müsse ich mich um diese tiefen Einsichten kümmern, sie pflegen, durchdenken, verstehen und ordnen; doch es passiert im Stillen und Schweigen, es passiert parallel zu allem, was mich täglich in seine Verpflichtung zieht.
Allmählich hat sich das zu Anfang begeisterte "Über den Teller hinaus schauen" zu einem Standard erhoben; mehr noch zu einer Notwendigkeit, der ich instinktiv zu folgen habe. Doch die Welt, die mir darin und dahinter begegnet, ist ungleich komplexer denn unserem hiesiges Dasein. Meine Welt ist vollkommen überdimensioniert (im wahrsten Sinne des Wortes). Ich beherberge das Wissen um den Hintergrund der Welt, um die Vielschichtigkeit des Daseins und werde konfrontiert mit Interessenlosigkeit. Nur spaltet sich dadurch nicht das Individuelle vom Allgemeinen?
Wenn eine Person beim Glücksspiel gewinnt und das große Glück erfährt, dann ist dieses so lange von positiven Gefühlsergüssen begleitet, bis er sich der Selbstverständlichkeit des Ganzen (emotional) bewusst wird; die Notwendigkeit, das Glück sei, was es ist; und es fühle sich an, wie derzeit erlebt... das ist der gezwungene Weg, auf dem der Besonderheit die Schönheit abgesprochen wird...
Nun möchte ich eine psychedelische Reise - und die Weiterbildung der eigenen Person - nicht mit einem Glücksspiel vergleichen. Aber in meiner derzeitigen Vorstellung stellt die psychedelische Entwicklung, auf lange Zeit gesehen, eine unglaubliche Erweiterung des Selbst dar. Trotzdem spielt es zunehmend in die Notwendigkeit des Seins ein. Es ist einfach, wie es ist. Es kann nicht anders sein. Es gehört zur Welt dazu, umgibt sie, fördert sie, durchleuchtet sie.
Für mich ist eine Welt ohne diese Seelenreisen, ohne eine Bewusstwerdung der inneren Zusammenhänge und das Eintauchen in die unterste Schicht des Seins nicht mehr denkbar. Es ist zu schön, bedeutsam und prägend. Doch insbesondere deshalb, weil man es im Geheimen halten muss, spielen sich mindestens zwei weitgehend voneinander getrennt gehaltene Welten ab, von denen die bedeutende Seite zunehmend an essenzieller Bedeutung gewinnt.
Wer weiß von diesen unendlichen Möglichkeiten, der nicht erlebt? Unterschreibt man mit Betreten dieser Räume und der dadurch entstehenden Faszination automatisch einen Vertrag, sich verstärkt und erweitert mit der Welt auseinander setzen zu müssen, sich in die Tiefe dieser Räume zu begegnen und sich den damit in Zusammenhang stehenden Gefühlen hinzugeben?
Auch wenn das alles ziemlich wirr rüber kommt, lasse ich es mal so stehen!
Vielleicht habt ihr Gedanken dazu, die ihr mitteilen möchtet?
Ich wäre dankbar dafür!
Viele Grüße,
Yagé
Im Sog der Weisheit
1Die Realität ist Spiegelbild der Seele; wird nun das Innere verzerrt, so verschieben sich auch die Wesenszüge der Wirklichkeit.