Dr.Schuh hat geschrieben:Naja das Ego will sich als Determinante des Über-Ichs aufblasen und in die Höhe heben, und das Über-Ich drückt es zu Boden. Ein sich aufschaukelndes und sehr energieikostenintensives Wechselspiel innerer Dynamik.
Jo, wobei das Über-Ich imho mehr ein ausführender multibler Agent des Egos ist, als ein Gegenspieler. Wenn man von Leuten mit Lob überhäuft wird, führt das meist unweigerlich zu selbstbelobigenden Gefühlen. Das Ego, das, wie du sagst als Determinante wirkt, bekommt was es will, bläht sich auf und das Über-Ich wird gebildet und nimmt dieses von "außen" kommende Lob von nun an als "inneren" Maßstab. Wichtig ist, denke ich, dass das Über-Ich nur von "
außen" Energie erhält. Man trachet unablässlich nach der Illusion, es gäbe dort etwas, was einem die Berechtigung zum ganzen Menschen ausstellt. Ein vergebliches Unterfangen durch das man sich in Relation zur Welt immer weiter herabsetzt und sich in Wahrheit die Energie, die man meint, bekommen zu können selbst enzieht. Die Welt wird größer und bößer, man selbst immer kleiner und armseeliger, was die krampfhafte Suche nach Bestätigung nur noch verstärkt.
Das Über-Ich ist imho auch nichts einheitliches sondern widerspricht sich ständig selbst. Die introjizierten Wertvortsellungen, Urteile, Weltbilder ... von den Eltern unterscheiden sich z.B beim Jungsche sehr von denen, die er nun bei seiner Klique erfährt - beide bilden sein Über-Ich bzw setzen auf dieses neue Bausteine. Den Eltern wird wohl deshalb soviel Bedeutung zur Über-Ich-Bildung beigemessen, weil sie im Normalfall die einflussreichsten Mitmenschen in den ersten, prägendsten Lebensjahren sind.
Vielleicht ist es klarer, wenn man das Über-Ich nicht als Gegenpart des Egos an sich auffasst, sondern vielmehr als ein Teil des Egos, der sich zum konditionierten, nach unmittelbarer "Impulsbefriedigung" stebenden Teil des Egos antagonistisch verhält.
Es gibt diese Momente (siehe: oben genannte Belobigung durch andere ... oder eine geschaffte Aufgabe), wo einen das Über-Ich für eine Weile freispricht. Hier fallen "Impulsbefriedigung" und Ansprüche des Über-Ichs zusammen. Die Synthese lässt einen eine Weile frei atmen .... bis ...
Dr.Schuh hat geschrieben:*Beispiel 1: Wer kifft ist ein Gammler, also darf ich nicht kiffen! // Ich bin ein fauler Hund, und sowieso korrupt und willensschwach, und deswegen ist das soundso und ich kann auch nichts dran ändern! // Nur dreckige Lügner lügen, also darf ich nicht lügen!
**Beispiel 2: Ich habe dem schlafenden Penner auf der Parkbank die Pfandflaschen abgezogen und in den Teich geworfen, und das tut mir jetzt irgendwie leid. // Das Fahrrad, das ich geklaut habe, hat sein Besitzer vll sehr geliebt und vermisst es jetzt bitter, und der Gedanke macht mir nun doch irgendwie zu schaffen. // Meinen Kumpel darüber belogen zu haben, dass ich mit seiner Freundin gevögelt habe, ist ihm gegenüber sehr gemein, und es fühlt sich jetzt sehr schlecht an.
Schön beschrieben.
Hier tritt auch die Form von Ernsthaftigkeit, die ich hier im Thread versucht habe, zu beschreiben.
gowiththeflo hat geschrieben:Mag sein, dass ich jetzt Mist verzapf, aber man könnte bluebrids Menschlichkeit, das umgangssprachliche Gewissen, dadurch vom Über-Ich differenzieren, dass
1. das Über-Ich eine persönliche / individuelle und biografisch gewachsene Instanz ist
und
2. das Gewissen seine Normen und Werte nicht nur aus individuellen Bereichen, sondern auch aus den kollektiven bewussten und unbewussten Bereichen empfängt.
Was meinst du mit kollektiv?
peace
mao
Take pain as a game.