Eifersucht
Verfasst: 16. Juni 2009, 00:58
Die Eifersucht ist ein mysteriöses Gefühl dessen Ursache und scheinbar unbegründete Intensität man nur schwer in einen Zusammenhang bringen kann.
Man fällt in einen Zustand der Depression, steigert sich in die unendliche Ferne der Möglichkeiten und verwechselt die wahnhafte Vorstellkraft mit der Realität. Doch woher kommt das ureigene Gefühl, das uns die Eifersucht vermittelt? Aus der Angst, den Partner zu verlieren? Aus der Sehnsucht ein Gleichgewicht herzustellen? Aus einer Besessenheit, die den Besitz eines Menschen umfängt?
Einige Menschen erkranken nur infolge sorgniserregender Umstände, andere hingegen zerstören nach dem Austausch von Blicken und wechselseitigen Zuspielungen, sich und den Menschen ihrer Wahl, um im selbst geschaffenen Grauen auseinander zu gehen. Oft ist es harmlos, häufig nur eine klein gehaltene Nebenerscheinung, manchmal jedoch artet es zur suchterzeugenden Krankheit aus dessen wirkungsvolles Gift tropfenweise das Fass jeder Beziehungen zum Überlaufen bringt.
Genug der Poesie. Ich habe heute sehr viel über das Thema Eifersucht nachgedacht und bin schlussendlich zu einer mir neuen und bisher noch nicht entdeckten Theorie gekommen:
Die Eifersucht hat nur sekundär und im weiterführenden Verlauf etwas mit Verlustangst zu tun. In der deutschen Sprache wird der Begriff für dieses Gefühl vollkommen zu unrecht und zugleich den Umständen verkennend benutzt - freilich ist es kein Leichtes sprachlich zu erklären, weshalb die Hintergründe für ein bestimmtes Wort anderer Natur sind, als zunächst gedacht. Ich werde aber dennoch versuchen in meiner Ausführung sehr präzis zu sein.
Eifersucht ist - wie bekannt - personenabhängig, und - wie benannt - primär unabhängig von der Angst vorm Verlust. Meiner Meinung nach wird die Eifersucht in erster Linie von einem Gefühl erzeugt, welches man einem Ungleichgewicht zuschreiben muss. Ein Ungleichgewicht im Wert, der Möglichkeiten, der Tätigkeiten, der Zuwendungen und der Interessen des geliebten Menschen. Sofern derjenige, den wir lieben, unabhängig von uns ein Leben führt oder aufbaut, dessen wir nicht teilhaben oder teilnehmen können, erzeugt dies in uns ein beklemmendes Gefühl der Minderwertigkeit. Es wird an einer heiligen Verbindung gekratzt, an einem Wert, den wir selbst errichtet haben - so stehen wir beispielsweise, selbst ernannt, als treue Marionetten da, die, den Partner liebend, sich selbst zurückstellend, das Leben als solches zu teilen pflegend, unterhalb einer gefühlskalten Statue, welche all die Schönheit mit Füßen tritt, die wir vorm geistigen Auge, oft sogar gemeinschaftlich, ernannt haben. Der Grund? Ein einfaches Gespräch mit dem anderen Geschlecht, welches, potentiell, Intrigen, Hintertürchen und Verhältnisse begünstigt, die, in naher wie ferner Zukunft, in körperliche Nähe übergehen oder ausarten könnte. Wir waren diejenigen, die bewegungslos blieben, während der Partner Pfade bestieg, die ihn weiter und höher hinaus führte. Er hat seine Möglichkeiten erweitert, während wir in den unseren verharrten. Ein Komplott, der ausschließlich in unserem Geiste stattfand. Doch der Hintergrund ist denkbar einfach: auf der Seite des Partners liegt vermeitlich mehr Gewicht. Er tat, was uns das Treuegelöbnis unterband, zu welchem wir uns nicht fähig sahen oder wozu uns die Möglichkeit fehlte; und dieses Ungleichgewicht, die geliebte Person stünde höher als unsereins, löst ein Unbehagen aus, was wir per definitionem als Eifersucht empfinden.
Einfacher ausgedrückt umschreibt die Eifersucht alles das, was der Partner hat und tut, was wir aber nicht zu teilen oder auszugleichen fähig sind. Wir wären unter Garantie weniger eifersüchtig, wenn unser Partner eines abends auf eine Geburtstagsfeier geht, sofern wir gleichzeitig oder im Gegenzug einen ebenwertigen Abend verbringen würden. Eifersucht spielt unter normalen Menschen, die einander gleichen und in den selben Möglichkeiten leben, eine untergeordnete Rolle; erst wenn einer der beiden hervorsticht und Dinge tut, die der andere aus ihm eigenen Gründen oder seiner Überzeugung folgend, nicht tut oder tun kann, entsteht jenes Ungleichgewicht, das wir folglich als Eifersucht interpretieren und definieren.
Ich möchte euch ein einfaches Beispiel nennen:
Vor einiger Zeit sprach ich mit einem guten Freund, der mir von einer offenen Beziehung berichtete, welche er als höchste Form der Liebe verstand. Sowohl er, als auch sie, pflegten den Kontakt zu anderen Partnern. Sie waren sich ihrer Ansicht nach einig und liebten einander. Er nannte stichhaltige Argumente, die für eine offene Beziehung sprachen und war im ersten Moment sehr überzeugend: er umschrieb es als Einigkeit, Freiheit, bedingungslose Liebe - er nannte es eine Beziehung ohne Eifersucht. Alles schien nach außen hin gut verpackt und wurde von mir als solches geglaubt. Es klang für mich einleuchtend und hatte bis dahin scheinbar gut funktioniert.
Doch leider verschoben sich die Verhältnisse. Ein Ungleichgewicht machte sich breit:
Heute schrieben wir wieder miteinander und er meinte, seine Beziehung sei in die Brücke gegangen. Auf meine Frage hin, wie es dazu kam, meinte er, er habe es in letzter Zeit scheinbar deutlich übertrieben. Junge, attraktive Frauen, hemmungslose Hingabe, intime Vergnügen, sexuelles Begehren. Seine Liebe hielt diesen widrigen Umständen, die seinerseits provoziert und in Freiheit begangen wurden, nicht stand. Auf meine Nachfrage, wie seine Partnerin das gehandhabt hätte und wie sie sich innerhalb der offenen Beziehung verhielt, antwortete er mir, sie hätte nie viele Partner gehabt. Sie könne es einfach nicht und es sei ihr zuwider. Zu Dritt sei der Spaß sehr groß, doch ohne ihn - mit einem anderen - sei es ihr moralisch nicht möglich.
Es ist naheliegend, dass diese beiden Personen nicht zusammen passen können und die Eifersucht früher oder später ihre Beziehung zerfrisst, Nicht jedoch, weil sich Dritte einmischten und die Verlustangst anstieg: vielmehr war es das Ungleichgewicht, das er vergnügt etwas tat, zu dem sie, ihrerseits, die Türen verschloss.
Auch in diesem Fall beschrieb die Eifersucht das Gefühl, das einer nicht dafür stand, was der andere tat - sie konnte es nicht, während er es sich nicht nehmen ließ.
Wenn der Partner demnach regen Kontakt zur Welt des anderes Geschlechtes hat, ist es weitgehend problemlos, sofern dieser, von der eigenen Seite, ebenfalls vorherrscht. Dadurch ist man auf einer Ebene und den unangenehmen Gefühlen der Ungleichheit ist kein Raum gelassen. Ist der eine jedoch schüchtern, menschenscheu oder gar soziophobisch, der andere hingegen ein offener, herzenslustiger Mensch, der mit neuen Kontakten schnell Freundschaft schließt, stehen sich zwei Gegensätze gegenüber, die in dem Zwiespalt der Eifersucht aufeinander prallen. Vernunft kennt dabei keinen Halt: hierbei geht es um die krasse Gewalt der Gefühle!
Die gesteigerte und oft krankhaft angehauchte Form der Eifersucht entsteht, indem das Denken sich in den Raum der Möglichkeit begibt: sofern der Partner alleine ist und man nicht minutiös über die Zeiteinteilung desselben bescheid weiß, könnte - der Konjunktiv spricht reale Wahrscheinlichkeiten - der liebe Partner ja etwas tun, was ihn weiterbringt, ein Gespräch, eine potentielle Liebschaft, ein erotisches Abenteuer. Alles ist möglich, sofern man über Einfallsreichtum verfügt und alles ist real, sofern man wahnhaft davon überzeugt ist. Man steigert sich, der beschränkten Möglichkeiten bedingt, in eine Welt die nicht ist, schlimmstenfalls sein könnte - doch jene schreibt traurige Zeilen, welche mehr noch Halt geben, als das ahnungslose Nichts. Man zieht die Schnur um den Partner enger, verfolgt, kontrolliert, sperrt ein. Und darin wieder fühlt dieser sich bedrängt und fordert mehr Offenheit seiner Selbst willen.
Das alles obliegt aber nicht dem Urgrund, man könne denjenigen verlieren, den man liebt - denn die bloße Vernunft besagt, das die Eifersucht mehr tötet, als rettet - nein, es geht um das Leben des anderen, welches im eigenen Schatten gesehen, komplexer, facettenreicher, mächtiger und intensiver ist als das eigene je sein könnte.
Ich möchte euch ein anderes Fallbeispiel nennen:
Vor einiger Zeit war ich, zusammen mit meiner Freundin und etlichen anderen Freunden, zelten. Am letzten Abend, gerade, als die Stimmung den Höhepunkt erreichte, holte ein guter Freund von mir ein Stückchen Haschisch raus. In dieser Atmosphäre, nahe dem Wald, vor dem Lagerfeuer, umgeben von Freunden und Bekannten, wären die Bedingungen ideal gewesen, diesen Abend zu genießen. Jedoch hatte ich, nichts vom kleinen Freundenstückchen wissend, zuvor eine nicht unerhebliche Menge Alkohol getrunken. Die Erinnerung an eine üble Erfahrung in der Vergangenheit erhob mir den moralischen Finger: damals musste ich mich bei dieser Kombination übergeben, lag stundenlang fast bewegungslos auf der Couch, erkrankte kurzweilig seelisch und körperlich. Nun stand ich in der Situation, in einem besonderen Moment Haschisch rauchen zu können und mir die schmackhafte Stunde noch weiter zu versüßen. Andererseits konnte ich nicht, da der Alkohol den Wechsel der Wirkung beschwor.
Am Ende blieb ich vernünftig, ließ die Anderen ihr Haschisch rauchen, und blieb, wie ausgegrenzt, sitzen. Sie fanden den Übergang in ihre Welt, lachten, erzählten, verweilten, dachten, schwebten. Ich hingegen befand mich durch nicht Einnahme der Substanz und durch dem Entsagen des entzückten Moments, weit zurück gelegen, in einer einsame, alkoholisierten, leeren Welt. Ich empfand dasselbe Gefühl der Eifersucht. Das Ungleichgewicht, das diejenigen eine Welt betraten und sich in dieser begnügten, zu welcher ich mir durch Alkohol den Zugang verbaute, begleitete mich den restlichen Abend und strafte mich mit dem Gefühl der Einsamkeit und Leere.
Da ich nur selten Cannabis gebrauche und noch nie in einer solchen Atmosphäre genießen konnte, ärgerte mich mein Entsagen umso mehr. Doch das eigentliche Gefühl, welches in mir weilte, war eindeutig dem der Eifersucht gleich. Ein Ungleichgewicht. Ich blieb zurück, während andere gemeinschaftlich einen Schritt weiter voran schritten.
Deshalbe glaube ich, dass der Begriff der Eifersucht nicht nur auf Beziehungen und Liebschaften anzuwenden sei. Das Gefühl spiegelt sich in allerlei Situationen wider, die alle von diesem Umgleichgewicht heimgesucht werden. Oft sogar geht man unterbewusst gegen diese Ungleichheit vor, indem man versucht, seinerseits noch eins draufzusetzen. Rache, gerufen aus einem Gefühl der Minderwertigkeit, eröffnet den Zugang in einen Teufelskreislauf. Man möchte zeigen, wie weit man selbst zu gehen bereit ist, wenn die Verletzung, die Herabsetzung, nur stark genug ist.
Einige gehen sogar soweit, dass sie einen liebevollen Kuss des Partners einem Dritten gegenüber, mit einer Affäre beantworten, die das beklemmende Gefühl der Eifersucht zu überbieten versucht.
Die Eifersucht ist wahrlich eine Bestie. Aber wenn man beobachtet, wann und wo sie auftritt, wird man immer wieder das von mir genannte Ungleichgewicht vorfinden, das mit einer oft nichtigen Situation und zahlreichen Spekulationen einhergeht.
Oder was denkt ihr darüber? Ich hoffe ich habe einigermaßen verständlich erklärt, was ich damit meinte.
Viele Grüße,
Yagé
Überarbeitet am 21. Juli 2009.
Man fällt in einen Zustand der Depression, steigert sich in die unendliche Ferne der Möglichkeiten und verwechselt die wahnhafte Vorstellkraft mit der Realität. Doch woher kommt das ureigene Gefühl, das uns die Eifersucht vermittelt? Aus der Angst, den Partner zu verlieren? Aus der Sehnsucht ein Gleichgewicht herzustellen? Aus einer Besessenheit, die den Besitz eines Menschen umfängt?
Einige Menschen erkranken nur infolge sorgniserregender Umstände, andere hingegen zerstören nach dem Austausch von Blicken und wechselseitigen Zuspielungen, sich und den Menschen ihrer Wahl, um im selbst geschaffenen Grauen auseinander zu gehen. Oft ist es harmlos, häufig nur eine klein gehaltene Nebenerscheinung, manchmal jedoch artet es zur suchterzeugenden Krankheit aus dessen wirkungsvolles Gift tropfenweise das Fass jeder Beziehungen zum Überlaufen bringt.
Genug der Poesie. Ich habe heute sehr viel über das Thema Eifersucht nachgedacht und bin schlussendlich zu einer mir neuen und bisher noch nicht entdeckten Theorie gekommen:
Die Eifersucht hat nur sekundär und im weiterführenden Verlauf etwas mit Verlustangst zu tun. In der deutschen Sprache wird der Begriff für dieses Gefühl vollkommen zu unrecht und zugleich den Umständen verkennend benutzt - freilich ist es kein Leichtes sprachlich zu erklären, weshalb die Hintergründe für ein bestimmtes Wort anderer Natur sind, als zunächst gedacht. Ich werde aber dennoch versuchen in meiner Ausführung sehr präzis zu sein.
Eifersucht ist - wie bekannt - personenabhängig, und - wie benannt - primär unabhängig von der Angst vorm Verlust. Meiner Meinung nach wird die Eifersucht in erster Linie von einem Gefühl erzeugt, welches man einem Ungleichgewicht zuschreiben muss. Ein Ungleichgewicht im Wert, der Möglichkeiten, der Tätigkeiten, der Zuwendungen und der Interessen des geliebten Menschen. Sofern derjenige, den wir lieben, unabhängig von uns ein Leben führt oder aufbaut, dessen wir nicht teilhaben oder teilnehmen können, erzeugt dies in uns ein beklemmendes Gefühl der Minderwertigkeit. Es wird an einer heiligen Verbindung gekratzt, an einem Wert, den wir selbst errichtet haben - so stehen wir beispielsweise, selbst ernannt, als treue Marionetten da, die, den Partner liebend, sich selbst zurückstellend, das Leben als solches zu teilen pflegend, unterhalb einer gefühlskalten Statue, welche all die Schönheit mit Füßen tritt, die wir vorm geistigen Auge, oft sogar gemeinschaftlich, ernannt haben. Der Grund? Ein einfaches Gespräch mit dem anderen Geschlecht, welches, potentiell, Intrigen, Hintertürchen und Verhältnisse begünstigt, die, in naher wie ferner Zukunft, in körperliche Nähe übergehen oder ausarten könnte. Wir waren diejenigen, die bewegungslos blieben, während der Partner Pfade bestieg, die ihn weiter und höher hinaus führte. Er hat seine Möglichkeiten erweitert, während wir in den unseren verharrten. Ein Komplott, der ausschließlich in unserem Geiste stattfand. Doch der Hintergrund ist denkbar einfach: auf der Seite des Partners liegt vermeitlich mehr Gewicht. Er tat, was uns das Treuegelöbnis unterband, zu welchem wir uns nicht fähig sahen oder wozu uns die Möglichkeit fehlte; und dieses Ungleichgewicht, die geliebte Person stünde höher als unsereins, löst ein Unbehagen aus, was wir per definitionem als Eifersucht empfinden.
Einfacher ausgedrückt umschreibt die Eifersucht alles das, was der Partner hat und tut, was wir aber nicht zu teilen oder auszugleichen fähig sind. Wir wären unter Garantie weniger eifersüchtig, wenn unser Partner eines abends auf eine Geburtstagsfeier geht, sofern wir gleichzeitig oder im Gegenzug einen ebenwertigen Abend verbringen würden. Eifersucht spielt unter normalen Menschen, die einander gleichen und in den selben Möglichkeiten leben, eine untergeordnete Rolle; erst wenn einer der beiden hervorsticht und Dinge tut, die der andere aus ihm eigenen Gründen oder seiner Überzeugung folgend, nicht tut oder tun kann, entsteht jenes Ungleichgewicht, das wir folglich als Eifersucht interpretieren und definieren.
Ich möchte euch ein einfaches Beispiel nennen:
Vor einiger Zeit sprach ich mit einem guten Freund, der mir von einer offenen Beziehung berichtete, welche er als höchste Form der Liebe verstand. Sowohl er, als auch sie, pflegten den Kontakt zu anderen Partnern. Sie waren sich ihrer Ansicht nach einig und liebten einander. Er nannte stichhaltige Argumente, die für eine offene Beziehung sprachen und war im ersten Moment sehr überzeugend: er umschrieb es als Einigkeit, Freiheit, bedingungslose Liebe - er nannte es eine Beziehung ohne Eifersucht. Alles schien nach außen hin gut verpackt und wurde von mir als solches geglaubt. Es klang für mich einleuchtend und hatte bis dahin scheinbar gut funktioniert.
Doch leider verschoben sich die Verhältnisse. Ein Ungleichgewicht machte sich breit:
Heute schrieben wir wieder miteinander und er meinte, seine Beziehung sei in die Brücke gegangen. Auf meine Frage hin, wie es dazu kam, meinte er, er habe es in letzter Zeit scheinbar deutlich übertrieben. Junge, attraktive Frauen, hemmungslose Hingabe, intime Vergnügen, sexuelles Begehren. Seine Liebe hielt diesen widrigen Umständen, die seinerseits provoziert und in Freiheit begangen wurden, nicht stand. Auf meine Nachfrage, wie seine Partnerin das gehandhabt hätte und wie sie sich innerhalb der offenen Beziehung verhielt, antwortete er mir, sie hätte nie viele Partner gehabt. Sie könne es einfach nicht und es sei ihr zuwider. Zu Dritt sei der Spaß sehr groß, doch ohne ihn - mit einem anderen - sei es ihr moralisch nicht möglich.
Es ist naheliegend, dass diese beiden Personen nicht zusammen passen können und die Eifersucht früher oder später ihre Beziehung zerfrisst, Nicht jedoch, weil sich Dritte einmischten und die Verlustangst anstieg: vielmehr war es das Ungleichgewicht, das er vergnügt etwas tat, zu dem sie, ihrerseits, die Türen verschloss.
Auch in diesem Fall beschrieb die Eifersucht das Gefühl, das einer nicht dafür stand, was der andere tat - sie konnte es nicht, während er es sich nicht nehmen ließ.
Wenn der Partner demnach regen Kontakt zur Welt des anderes Geschlechtes hat, ist es weitgehend problemlos, sofern dieser, von der eigenen Seite, ebenfalls vorherrscht. Dadurch ist man auf einer Ebene und den unangenehmen Gefühlen der Ungleichheit ist kein Raum gelassen. Ist der eine jedoch schüchtern, menschenscheu oder gar soziophobisch, der andere hingegen ein offener, herzenslustiger Mensch, der mit neuen Kontakten schnell Freundschaft schließt, stehen sich zwei Gegensätze gegenüber, die in dem Zwiespalt der Eifersucht aufeinander prallen. Vernunft kennt dabei keinen Halt: hierbei geht es um die krasse Gewalt der Gefühle!
Die gesteigerte und oft krankhaft angehauchte Form der Eifersucht entsteht, indem das Denken sich in den Raum der Möglichkeit begibt: sofern der Partner alleine ist und man nicht minutiös über die Zeiteinteilung desselben bescheid weiß, könnte - der Konjunktiv spricht reale Wahrscheinlichkeiten - der liebe Partner ja etwas tun, was ihn weiterbringt, ein Gespräch, eine potentielle Liebschaft, ein erotisches Abenteuer. Alles ist möglich, sofern man über Einfallsreichtum verfügt und alles ist real, sofern man wahnhaft davon überzeugt ist. Man steigert sich, der beschränkten Möglichkeiten bedingt, in eine Welt die nicht ist, schlimmstenfalls sein könnte - doch jene schreibt traurige Zeilen, welche mehr noch Halt geben, als das ahnungslose Nichts. Man zieht die Schnur um den Partner enger, verfolgt, kontrolliert, sperrt ein. Und darin wieder fühlt dieser sich bedrängt und fordert mehr Offenheit seiner Selbst willen.
Das alles obliegt aber nicht dem Urgrund, man könne denjenigen verlieren, den man liebt - denn die bloße Vernunft besagt, das die Eifersucht mehr tötet, als rettet - nein, es geht um das Leben des anderen, welches im eigenen Schatten gesehen, komplexer, facettenreicher, mächtiger und intensiver ist als das eigene je sein könnte.
Ich möchte euch ein anderes Fallbeispiel nennen:
Vor einiger Zeit war ich, zusammen mit meiner Freundin und etlichen anderen Freunden, zelten. Am letzten Abend, gerade, als die Stimmung den Höhepunkt erreichte, holte ein guter Freund von mir ein Stückchen Haschisch raus. In dieser Atmosphäre, nahe dem Wald, vor dem Lagerfeuer, umgeben von Freunden und Bekannten, wären die Bedingungen ideal gewesen, diesen Abend zu genießen. Jedoch hatte ich, nichts vom kleinen Freundenstückchen wissend, zuvor eine nicht unerhebliche Menge Alkohol getrunken. Die Erinnerung an eine üble Erfahrung in der Vergangenheit erhob mir den moralischen Finger: damals musste ich mich bei dieser Kombination übergeben, lag stundenlang fast bewegungslos auf der Couch, erkrankte kurzweilig seelisch und körperlich. Nun stand ich in der Situation, in einem besonderen Moment Haschisch rauchen zu können und mir die schmackhafte Stunde noch weiter zu versüßen. Andererseits konnte ich nicht, da der Alkohol den Wechsel der Wirkung beschwor.
Am Ende blieb ich vernünftig, ließ die Anderen ihr Haschisch rauchen, und blieb, wie ausgegrenzt, sitzen. Sie fanden den Übergang in ihre Welt, lachten, erzählten, verweilten, dachten, schwebten. Ich hingegen befand mich durch nicht Einnahme der Substanz und durch dem Entsagen des entzückten Moments, weit zurück gelegen, in einer einsame, alkoholisierten, leeren Welt. Ich empfand dasselbe Gefühl der Eifersucht. Das Ungleichgewicht, das diejenigen eine Welt betraten und sich in dieser begnügten, zu welcher ich mir durch Alkohol den Zugang verbaute, begleitete mich den restlichen Abend und strafte mich mit dem Gefühl der Einsamkeit und Leere.
Da ich nur selten Cannabis gebrauche und noch nie in einer solchen Atmosphäre genießen konnte, ärgerte mich mein Entsagen umso mehr. Doch das eigentliche Gefühl, welches in mir weilte, war eindeutig dem der Eifersucht gleich. Ein Ungleichgewicht. Ich blieb zurück, während andere gemeinschaftlich einen Schritt weiter voran schritten.
Deshalbe glaube ich, dass der Begriff der Eifersucht nicht nur auf Beziehungen und Liebschaften anzuwenden sei. Das Gefühl spiegelt sich in allerlei Situationen wider, die alle von diesem Umgleichgewicht heimgesucht werden. Oft sogar geht man unterbewusst gegen diese Ungleichheit vor, indem man versucht, seinerseits noch eins draufzusetzen. Rache, gerufen aus einem Gefühl der Minderwertigkeit, eröffnet den Zugang in einen Teufelskreislauf. Man möchte zeigen, wie weit man selbst zu gehen bereit ist, wenn die Verletzung, die Herabsetzung, nur stark genug ist.
Einige gehen sogar soweit, dass sie einen liebevollen Kuss des Partners einem Dritten gegenüber, mit einer Affäre beantworten, die das beklemmende Gefühl der Eifersucht zu überbieten versucht.
Die Eifersucht ist wahrlich eine Bestie. Aber wenn man beobachtet, wann und wo sie auftritt, wird man immer wieder das von mir genannte Ungleichgewicht vorfinden, das mit einer oft nichtigen Situation und zahlreichen Spekulationen einhergeht.
Oder was denkt ihr darüber? Ich hoffe ich habe einigermaßen verständlich erklärt, was ich damit meinte.
Viele Grüße,
Yagé
Überarbeitet am 21. Juli 2009.