Berlin, 28.06.2009
Am 25. und 26. Juni 2009 feierte das JES Netzwerk in Berlin sein 20 jähriges Bestehen. Der anlässlich dieses Jubiläums veranstaltete Fachtag wurde von allen Besuchern als sehr gelungen eingestuft.
Donnerstag, 25.06.
Nachdem der JES-Sprecherrat bereits am Mittwoch in der DAH und Donnerstag morgen vor Ort die nötigen Vorbereitungen getroffen hatte, konnte es also losgehen.
Die reine JES-Agenda wurden vorab in einem 2-stündigen internen Meeting abgehandelt; es stand der Bericht des Sprecherrats für den Zeitraum '07 - '09 und die Wahl dieses zentralen Organs des Netzwerks an. Der Bericht des Sprecherrats ist
hier als PDF abzurufen.
Bei der Wahl wurden die drei aktuellen JES-Bundessprecher im Amt bestätigt, also erneut gewählt. Auch für die nächsten 2 Jahre besteht dieses Gremium folglich aus Claudia Schieren, Marco Jesse, Jochen Lenz und den beiden assoziierten Schienenkoordinatoren Katrin Heinze und Mathias Häde.
Nachdem Mitglieder des SR die zahlreich aus ganz Deutschland angereisten JESler und Sympathisanten zum Hotel, der Unterkunft für die Nacht, gebracht und wieder zurück zur Veranstaltungsstätte begleitet hatte, konnte der eigentliche Fachtag beginnen. In den die Veranstaltung eröffnenden Grussworten fand nicht nur Ilja Michels vom BMG ausserordentlich anerkennende Worte für die Arbeit des in seiner Art global einmaligen Netzwerks von Konsumenten, Substitierten und Ehemaligen.
Die Strecke der nachfolgenden Impulsreferate wurde eröffnet von Achim Weber, einst Mitarbeiter der DAH, heute Referent für Selbsthilfe im Paritätischen. Im Zuge seines Vortrags wurde die Diskrepanz in der Aussenbewertung zwischen 'normaler' Selbsthilfe und Drogenselbsthilfe, zumal der akzeptierenden, aufschlussreich beleuchtet. Was JES schon lange ahnte und auch daher wenig verwundert: Akzeptierende Drogenselbsthilfe wird von den meisten caritativen Verbänden nicht gerade bevorteilt - um es dezent auszudrücken.
Ein zweites Referat, abgehalten von Bundessprecher Marco Jesse, stellte die Frage "JES - Perspektivlosigkeit durch eigene Erfolge?" Bereits nach wenigen Sätzen wurde deutlich, dass auf JES sehr wohl noch eine immense Fülle an Aufgaben wartet: Der flächendedeckende Ausbau einer med. Heroin-Vergabe, Erleichterungen bei der tradierten Substitution, Kampf um Patientenrechte und die immer aktueller werdende Problematik der 'Senior-Junkies' - um nur einige wichtige Punkte zu nennen.
Mit neuen Ansätzen in der Behandlung von Hepatitis C befasste sich im Anschluss das Referat von Kerstin Dettmer, Ärztin im Berliner Fixpunkt. Nach einem Überblick über die gegenwärtig praktizierte Therapie mit Interferon und Ribavirin wurden von ihr für das Jahr 2010 neue Verfahren mit voraussichtlich leicht ansteigender Erfolgsquote avisiert. Es wurde aber auch deutlich, dass, nach heutigem Wissen, offenbar lediglich 16% der mit HCV Infizierten einen letalen Verlauf ihrer Erkrankung -also Zirrhose und Krebs- fürchten müssen.
Die Reihe der Impulsreferate beschloss dann Dr. Axel Hentschel, auch er ein alter Wegbegleiter des Netzwerks, mit seinem Vortrag über "Drogen und Alter". So war es jedenfalls geplant. Weil die Zeit drängte und die Mägen bereits hörbar knurrten, wurde -nach einem kurzen Abriss der Problematik- das geplante Referat von Dr. Hentschel in den zugehörigen Workshop am Freitag verlegt.
Völlig überraschend stürmte nun Jürgen Heimchen vom Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit die Bühne. Eine Preisverleihung stand an. An JES! Na, dafür hatte man doch wirklich noch einen Moment die nötige Ruhe. Mit grossem Stolz durfte das JES-Netzwerk von den Elternverbänden deren höchste Ehrung, den Ginko entgegennehmen.
Nun aber endlich: Abendessen!
Glücklicherweise herrschte an den beiden Tagen in Berlin relativ gutes Wetter, sodass sich der Tag am Abend mit einem netten Beisammensein im Hof der Veranstaltungsstätte (GLS) abschliessen liess. Neben dem üblichen Austausch über JES-Themen ging es hier vielfach um Privates. Manche Anwesende hatten sich über viele Jahre nicht getroffen, es gab also massig Gesprächsstoff. Beendet war das offizielle Programm für Donnerstag aber dennoch nicht wirklich: Für viele Anwesende völlig überraschend, trat Dirk Schäffer vor die Versammelten und verkündete die Verleihung des Celia Bernecker Preises an den Verein "Vision e.V.", ehemals Junkiebund Köln. Eine wirklich hochverdiente Ehrung dieser massgeblich von (Ex-)Usern geleiteten und getragenen Einrichtung. Erst spät am Abend leerte sich dann der Hof und die Gäste machten sich auf den Weg ins Hotel.
Freitag, 26.06.
Am Freitag ging es früh um 9:30 los mit einer Begrüssung durch Claudia Schieren. Im Anschluss verteilten sich die Anwesenden auf die drei Workshops: Den JES-Zukunftsworkshop, das Thema "Drogen und Alter" und die Thematik der HCV-Behandlung von Drogengebrauchern. Alle drei Workshops schienen gut besucht und die Ergebnisse wurden im Anschluss vor allen Besuchern vorgestellt. Hierzu erscheint, im Zuge der Dokumentation, mittelfristig ein gesonderter, detaillierterer Bericht.
Dem sich anschliessenden Mittagessen folgte eine sog FishBowl-Diskussion. Hierzu werden die vorhandenen Stühle in konzentrischen Kreisen um eine zentrale Gruppe von (hier 5) Stühlen gestellt. Die Diskutanten sitzen in dieser zentralen Gruppe, können aber von jedem, der etwas anmerken möchte, per Handzeichen abgelöst werden.
Auf diese Weise entwickelte sich eine höchst dynamische und lebhafte Diskussion. Gestartet wurde mit Ilja Michels (BMG), Jürgen Heimchen (Eltern), Mathias Häde (JES), Henning Schmidt-Semisch (Schildower Kreis) und Georg Wurth (DHV). Letzterer war für Heino Stöver (akzept) eingesprungen.
Zunächst ging es, natürlich, um die Heroinbehandlung. Hier verdeutlichte sich schnell, dass auf Länderebene vermutlich jeweils sehr unterschiedliche Standards entwickelt werden. Erste Tendenzen in Süddeutschland nähren diese Befürchtung. Der eigentliche Kampf, so das bereits bekannte und stimmige Mantra von J. Heimchen, beginne für uns erst jetzt. Nun geht es darum die vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten im Sinne der Drogengebraucher mit Leben zu füllen.
Im Zuge der Auseinandersetzung wurde allerdings auch deutlich, dass es noch immer JESler gibt, deren Position entscheidend von der Positionierung des Netzwerks abweicht. Diese vereinzelten Stimmen erachten etwa eine Legalisierung von Drogen generell als höchst riskant. Das ist keine JES-Position! Und wirkliche JESler sind -per definitionem- nur Personen, die sich mit diesen JES-Positionen im Grundsatz identifizieren können. Aufschluss im Detail bieten die folgenden JES-Positionspapiere:
JES zur Legalisierung
Profilpapier (PDF)
Die Versammlung hätte im Zuge der FishBowl wohl noch Stunden angeregt weiter diskutieren können, als gegen 15 Uhr das Ende dieses Berliner Jubiläums-Fachtags nahte. Schade eigentlich!
Für Interessierte verweisen wir auf die noch zu erstellende Dokumentation, in der dann alle Details des Berliner Fachtags enthalten sein werden.
weitere Fotos gibt es hier zu sehen
Text: Mathias Häde, JES-Netzwerk
Fotos: Mathias Häde und tribble