Gehen wir mal vom Ende zum Anfang:
hiob hat geschrieben:ich glaube, yage ist ein molch!
Ich glaube, da wirst du Recht haben!
hiob :ohnein: hat geschrieben:wenn ich ein weisskittel wäre...
[...] bla bla blubb [...]
würde ich [...] eine persönlichkeitsstörung [...] attestieren.... mit ungünstiger prognose, [...]
anm.: fasse dich mal kürzer
Es wäre ja auch krank, normal zu sein.
Versteht mich nicht falsch. Ich bin ein mit seinem Leben zufriedener Mensch, der zeitweise schwierige, von Einsamkeit geprägte Episoden seines Lebens bestreiten musste und daran gewachsen ist. Ich bin gelegentlich wehmütig, sehnsüchtig, melancholisch, wütend, hasserfüllt oder einfach nur träge, müde und gelangweilt - doch das bin
Ich, das macht mich, als Person, aus. Mein bisheriger Weg führte mich über viele felsige Pfade, gepflastert mit Naivität, Uneinsichtigkeit, Sturheit, Scheinüberlegenheit oder aber Feigheit. Und dennoch misse ich diese Phasen nicht. Denn lernt man nicht alleine durch das Gehen und Reflektieren solcher Wege? Heute stehe ich an einem Punkt, an dem ich nach wie vor Felsen sehe. Diese sind aber, im Gegensatz zu früher, exotischer und höchst individueller Natur. Es sind Berge, die ich besteigen möchte und die alleine mir gelten. Ich suche derzeit für mich den besten Weg zwischen übertriebener Vernarrtheit in idealistische Ziele und dem apathisches Geschehen lassen.
Daher schert es mich recht wenig, welche Diagnosen mir ein biblischer Prophet macht.
Erraphex hat geschrieben:Der freie Wille ist m.E. sehr wohl vorhanden. Nur nicht auf Ebene des Egos. Je tiefer ich in ehemals unbewusste Regionen vorstoße, desto mehr Handlungsmuster erkenne ich. Wir müssen uns erst davon befreien (aka bewusst machen) um einen wirklich freien Willen zu möglich zu machen. Das was die meisten Menschen für ihren freien Willen halten ist dagegen eine Illusion.
Die Leugnung des freien Willens führt in vielen Fällen zum Ablegen der Konsequenz scheinbar freier Entscheidungen. Dabei übersehen einige Hobbyphilosophen, das der kausale Determinismus, auf den sie sich berufen, definitiv
nicht zu einer Spaltung zwischen Willen und Persönlichkeit führt. Man vermeint, der Wille sei ein gegebenes Werkzeug und man sei seinen Entscheidungen untertan. Das ist aber absurd.
Ich denke, dass die Einflüsse, die in unsere Entscheidungen eingehen, gegeben sind. Unsere Fähigkeit, im weiterführendem Sinne die Wichtigkeit dieser Einflüsse abzuwägen, die Thematik zu erörtern und verschiedene Komponenten des Seins einspielen zu lassen (Moral, Intuition, Emotion, Verstand), unterliegt aber definitiv nicht der vorbestimmten Kausalität.
Wie man es dreht oder wendet: wir sind verbunden mit unseren Entscheidungen.
Erraphex sagte bereits richtig, dass sich lediglich unser Ego davon trennen kann.
Erraphex hat geschrieben:Warum ich versuche es nicht anzuwenden? Weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass Entscheidungen dazu führen können, dass wir den Raum der Möglichkeiten künstlich beschränken und das Loslassen jeglicher Wünsche und daraus resultierender Entscheidungen dazu führen kann, dass etwas viel stimmigeres geschieht.
Sehr schön formuliert! Wir machen oft den Fehler, einer Zukunft den Raum zu nehmen, sich frei zu entfalten, indem wir uns Ziele setzen, die konkret, und nicht abstrakt, existieren. Dadurch nehmen wir uns an Fähigkeit, offen und intuitiv auf die zukünftigen Gegebenheiten zu reagieren. Man darf aber nie vergessen, einen gut überlegten Punkt zwischen Passivität und Warten auf der einen Seite, und Aktivität auf der anderen Seite, zu finden. Den erst dort geht man seinen Weg, und diese Entscheidung kann uns niemand abnehmen.
Slider hat geschrieben:ich sehe es auch so, daß alles, was geschieht dem universellem Willen nach geschieht, einer durchaus sehr geheimnisvollen Kraft, andererseits SIND wir hinter alledem selber wiederum diese geheimnisvolle Kraft und können im Einklang, bzw. in Fliessrichtung mit ihr unser Leben gestalten, verändern, wie auch immer, in dem wir manifestieren
Die Bedeutung unserer Entscheidungen steht außer Frage. Viel wichtiger finde ich, wo in uns diese Entscheidungen getroffen werden und was uns die Wichtigkeit vorgibt. Wenn ich mir heute sage, ich möchte BWL studieren, damit ich in der Wirtschaft aufsteigen kann, so ist das eine rationale, auf die Gesellschaft angepasste Entscheidung. Diese entspricht aber nicht meiner Selbst, meiner Vorstellung davon, mich zu fördern. Wenn ich mir sage, eine Beziehung stehe meiner zukünftigen Entwicklung im Wege, da mich Gefühle binden und zu irrationalen Entscheidungen veranlassen, so ist dies - für mich - ein emotionaler Irrweg. In der Vergangenheit gab es viele Personen, die so dachten, lebten und urteilten (antik. Philosophen, Bacon, Schopenhauer). Das Abwägen seiner verschiedenen Seiten ist höchst individuell. Jeder müsste alle diese Aspekte befragen, gegeneinander abwiegen und miteinander verbinden. Weiterhin spielen auch die momentanen Begebenheiten, die allgemeine Situation, die Verknüpfung mit dem sozialen Netzwerk und der finanzielle Hintergrund eine bedeutende Rolle.
Es gibt tausend Dinge zu beachten. Tausend kleine Einflüsse verbinden sich, in dir, zu einer Entscheidung. Doch diese trifft die Intuition bedeutend besser, als der Kopf, der versucht darin ist, Stück für Stück ein Puzzle zusammenzusetzen, welches gar nicht aufeinander abgestimmt ist.
Trotzdem passiert es, dass sich Entscheidungen als Falsch herausstellen. Dadurch landet man an einem Punkt, an dem Phönix argumentiert:
Phönix hat geschrieben:Ich kann sagen, dass ich zu jeden Zeitpunkt das für diesen Zeitpunkt richtige tat und alles genauso passiert ist, wie es passieren musste....klingt toll mystisch. Oder ich kann sagen, dass ich zu einem Zeitpunkt eine Entscheidung getroffen habe, die aus der Sicht des Zeitpunktes verständlich ist, aber ich gewisse Konsequenzen der Entscheidung nicht sah. Da wir ernten was wir sähen und ich nun die Ernte als anstrengend, mich aus dem Gleichgewicht bringend erkenne, könnte ich sagen, vielleicht damals eine falsche Entscheidung getroffen zu haben und mir einen Fehler einzugestehen...klingt weniger mystisch und ich muss mir meine eigene Fehlbarkeit eingestehen. Weniger schön, empfinde ich aber gerade als treffender.
Aber genau das führt mich zu meinem Anfangspunkt zurück:
Mein bisheriger Weg führte mich über viele felsige Pfade, gepflastert mit Naivität, Uneinsichtigkeit, Sturheit, Scheinüberlegenheit oder aber Feigheit. Und dennoch misse ich diese Phasen nicht. Denn lernt man nicht alleine durch das Gehen und Reflektieren solcher Wege?
Niemand kann unfehlbar werden und keine Entscheidung ist vollkommen richtig. Das muss und kann niemals sein. Man wird auch niemals wissen, was passiert wäre, wenn man einmal, in der Vergangenheit, anders entschieden hätte, als man es tat. Vielleicht wäre man heute tot, reich, obdachlos - das ist ein Abwägen von Wahrscheinlichkeiten; sogesehen führt man das Spiel des Entscheidens zu einer Zeit fort, wo die Konsequenz aufgetragen wurden und neue Wege entstehen.
Es gibt in jedem Teil des Lebens Dinge, die man lernen und verändern kann. Eine auswegslose Situation ist nicht zu ändern, die meisten hingegen schon. Und dort beginnt der Weg, von Abenteuern gepflastern, von Hindernissen belegt, der Tiefe ebenso offen gehalten, wie der Glückseligkeit.
Phönix hat geschrieben:Desweiteren teile ich die Schicksalsgläubigkeit, dass alles, was passiert auch passieren muss, überhaupt nicht. Sie lässt keinen Raum für den freien Willen und ist Determinsmus. Wir sind Gestalter unseres Lebens und Mitgestalter des Lebens anderer. Dadurch haben wir Verantwortung und können mit bestimmen, was wir ernten.
Sehe ich genau so! Mein Schicksal liegt in meiner Hand. Es wird beeinflusst und mitbestimmt durch das Agieren meiner Mitmenschen, entsteht und wächst durch Interaktion und zerfällt irgendwann in der Ferne unserer Zeit. Viel ergiebiger ist es, das Leben, mit all seinen Eigen- und Besonderheiten, als eine Art Spiel zu sehen. Es gehört zum Spiel, das Schlimmes passiert. Deswegen genieße ich die Zeit, in der ich missmutig bin ebenso wie jene, in der ich euphorisch bin. In der düsteren Zeit schreibe ich gerne. Das genieße ich ausgiebig, weshalb viele rhetorische Figuren (ein zielloser Weg, die Sinnlosigkeit, eine dem Tode geweihte Zivilisation) nicht auf Selbstmord, sondern auf literarisches Verlangen schließen lassen.
Ich weiß heute, dass ich in der Vergangenheit Fehler gemacht habe. Aber die Betrachtung, die diese Entscheidungen als Fehler entlarvt, ist ebenso fehlerhaft.
Darüber hinaus weiß ich, dass ich auch heute noch fehlerhaft bin und falsche Entscheidungen treffe. Aber diese, um im Wortlaut zu bleiben, sind nicht weniger Wert, als jene, die mich vielleicht auf bessere Wege katapultieren. Und überhaupt: was sind denn die besten Wege? Geld, Reichtum oder vielleicht Weisheit, Selbstzufriedenheit? Für die zuletzt genannten ist es manchmal besser, die
falschen Wege zu durchlaufen und die notwendigen Erfahrungen zu sammeln, weiter zu wachsen. Wie Siddhartha, der einst der Weltlust zum Opfer fiel, um zu später, aussichtsloser Stunde zu begreifen, wieder fort zu müssen und neu anzufangen, müssen auch wir den Weg gehen, den wir gehen, und zu den Entscheidungen stehen, die wir treffen.
Auch auf die Gefahr hin, zu viel von mir preis zu geben:
Die Texte, die ich zu Anfang schrieb, entsprechen durchaus dem was ich denke und fühle. Aber daran richte ich mich nicht zugrunde. Ich leide möglicher- aber auch notwendigerweise daran, genieße aber das Leid als eine (Ab)art des Lebens. Ich liebe und hasse diese Gefühle, gleichsam wie ich Leidenschaft und Sehnsucht genieße. Es ist eben ein inspirierender, antreibender Teil meiner Person.
Erraphex hat geschrieben:Und was ist wenn sie für die anderen richtig ist? Wer hat Recht? Was wäre denn überhaupt eine richtige Welt?
Eine schöne Frage! Ich denke, jeder hat Recht. Denn die Welt hat immer nur den Wert, den man ihr gibt. Wenn jemand suizidal ist und in der Welt alleine das Leid und die Sinnlosigkeit sieht, ist das ebenso ein Aspekt der Welt, wie die Sicht auf eine paradisisch blühenden Oase. Die Summe aller Ansichten gibt es nicht. Es gibt nur Millarden, voneinander autark existerender, Ansichten.
Erraphex hat geschrieben:Dann gehe als "leuchtendes" (Gegen)-Beispiel voran. Das ist auch in dieser Gesellschaft möglich. Wir als individuelle Ausprägungen des allgemeinen Seins können nicht alleine die Welt verändern. Zusammen aber - zusammen wird es uns möglich sein.
Genau darum geht es mir. Das ist einer der Pfade, die ich ungenügend begehe - die Konsequenz hinter meinen Worten bleibt oft aus oder hält sich klein, denn Konsequenz bildet sich nur in Unzufriedenheit, wenn mir also Leid zuteil wird. Daher genieße und nutze ich das Leiden.
Ich hoffe nur das ich dieses bald stärker in mein Tun integrieren kann. Denn bisher stehen hinter meinen negativen Gefühlen mehr nur literarische Ausbrüche, als sichtbare Veränderungen. Doch auch diese setzt sich stückweise um.
Erraphex hat geschrieben:Jammern ändert aber nichts. Weder für dich - noch für die anderen.
Was du natürlich, wenn es dich danach verlangt, weiterhin ausleben solltest. Schön zu lesen ist es in jedem Falle.
Lasse mir den Spaß! In dem Moment gibt es nichts schöneres, als diese Gefühle auszudrücken. Dabei erleichtert das von dir bezeichnende "Jammern" sowohl Seelenlast, als auch Schreibwut. Ich meißel einen Teil meiner Person auf einen langwierig existernden Stein...
Das ergänzt sich sehr gut...
Das ist auch der Grund, weshalb ich auf eure Antworten nicht ein ging (auch wenn sie - eben erneut betrachtet - sehr interessant und gedankenfördernd sind - vielen Dank!
);
Dieser Thread ist eine Schreibwerkstatt, eine literarische Interaktion, der verbale Austausch von Ideen, Gedanken und Gefühlen.
Am Schluss bleibt mir nur zu sagen, dass ihr die bis dato beeindruckenste, intelligenteste und außergewöhnlichste Community seid, die ich kennen gelernt habe. Eine solche Fülle höchst individueller Persönlichkeiten ist mir bisher nicht untergekommen.
Macht weiter so...