Das Überich
Verfasst: 4. September 2008, 15:11
Der nachfolgende Text ist ein Kapitel aus dem Buch "Essenz" von A.H.Almaas und der Gute beschreibt imho die Beziehung zwischen Ego und Selbst sehr klar und auf den Punkt.
Das Überich
Wir werden kurz und sehr allgemein die wichtigsten Züge der Schrittfolge der Entwicklung im Falle eines normalen Menschen besprechen. Eine genauere Beschreibung folgt in einer späteren Publikation. Die tiefsten und unmittelbarsten Wahrheiten bleiben der mündlichen Vermittlung vorbehalten, dem Prozess des Lehrens selbst.
Während sich Bewußtheit ausdehnt, wird sich der Mensch als erstes der Notwendigkeit bewußt, Wege zu finden, sich mit seinem Überich auseinanderzusetzen. Das ist die erste wichtige Aufgabe. Ohne die Fähigkeit dazu, wird man es äußerst schwer finden, Bewußtheit weiter auszudehnen und sich mit dem Unbewußten auseinanderzusetzen.
Der Grund dafür ist, daß der Status quo der Persönlichkeit vom Überich aufrechterhalten wird, und zwar besonders dadurch, daß das Unbewußte mittels der Abwehrmechanismen des Ich unbewußt gehalten wird. Die Instanz, die diese Abwehrfunktionen erzwingt, ist das Überich.
Wir müssen den Verdrängungsprozess begreifen, um diesen Mechanismus besser zu verstehen: Bewußtheit des unbewußten Materials macht dem Ich Angst. Das Ich antwortet auf Angst mit Verdrängung; es schneidet Bewußtheit vom auftauchenden unbewußten Material ab. So vermeidet es die Erfahrung der Angst und damit die desintegrierende Wirkung der Angst auf die Ich-Struktur.
Ursprünglich war die Angst die Furcht vor den Gewalt ausübenden Mächten in der Kindheit, repräsentiert vor allem durch die Eltern. Wann immer die Eltern etwas mißbilligen, was das Kind tut oder fühlt - und das geschieht wiederholt - lernt das Kind, aus Furcht vor dieser Mißbilligung und auch aus Liebe zu den Eltern, die jeweilige Handlung und das jeweilige Gefühl zu unterdrücken und schließlich zu verdrängen. Mit der Zeit aber wird die Mißbilligung als Teil des eigenen Überich des Kindes internalisiert. Wenn dann eine Situation diese besondere Handlung oder dieses Gefühl provoziert, antwortet das Überich des Kindes mit Mißbilligung und straft das Kind mit Schuldgefühl, Scham und anderen schmerzhaften Affekten. Die Furcht wird die Furcht vor dem eigenen Überich. Das Kind lernt aus dieser Furcht vor dem Überich und der Strafe, sich auf die gleiche Weise zu verteidigen wie gegen seine Eltern. Es verdrängt die jeweilige Handlung oder das jeweilige Gefühl. Es schneidet die Bewußtheit seiner eigenen Impulse, Gefühle und Handlungen ab. Damit das wirksam sein kann, muß der ganze Mechanismus unbewußt und automatisch sein. Das Unbewußte bleibt aus Furcht vor dem Überich, und um sich gegen seine Angriffe zu schützen, unbewußt. So wird das Überich die innere Zwangsinstanz, die über den Status quo der Persönlichkeit wacht.
Das bedeutet, daß man sich, wenn man Bewußtheit entwickelt und einiger Teile des Unbewußten bewußt wird, der Furcht vor dem Überich und, wenn man über diese Furcht hinausgeht, seinen Angriffen selbst aussetzt. Abgesehen davon, daß diese Konfrontation mit dem Übrich viel Schmerz und Leiden verursacht, hemmt sie Bewußtheit und ihre Ausdehnung, bis man eine Lösung für diese Situation findet.
Die Psychoanalyse analysiert in so einem Fall die Situation und versucht, ihre Entstehung zu verstehen. Mit der Zeit verbessert dieser Prozess die Situation. Das Überich wird in seinen Forderungen und Normen realistischer und seine Angriffe milder. Andere Schulen benutzen andere Methoden, um mit dem Überich direkt oder indirekt zu arbeiten, aber alle psychotherapeutischen Methoden arbeiten nur daraufhin, die Situation zu verbessern. Das Überich bleibt ein wichtiger und aktiver Teil der Persönlichkeit. Die Möglichkeit der vollkommenen Auflösung des Überich liegt nicht im Blickwinkel von Psychotherapie und wird von ihr auch nicht als wünschenswertes Ziel gesehen.
Es liegt auf der Hand, daß das so ist, weil in der 'Weltanschauung' des Analytikers und des Psychotherapeuten Essenz nicht vorkommt. Die Präsenz von Essenz, mit ihrer unmittelbaren und objektiven Wahrnehmung und ihrer ausgeglichenen menschlichen Natur ist unbekannt, so daß ein Leben ohne das Überich und stattdessen mit einer objektiven Wahrnehmung im Horizont des Möglichen nicht vorkommt. Das Vermögen der Essenz, zu wissen und ihrem Wissen gemäß zu handeln, wird nicht gesehen. Es bleibt also immer der Glaube an die Notwendigkeit, daß Ideale, Moral und Regeln das Leben lenken müssen. Aus unserer Perspektive ist das Überich die innere Zwangsinstanz, die der Ausdehnung von Bewußtheit und der inneren Entwicklung entgegensteht, unabhängig davon wie milde oder vernünftig es wird. Es ist ein Ersatz, und zwar ein grausamer, für unmittelbare Wahrnehmung und unmittelbares Wissen. Innere Entwicklung verlangt, daß es mit der Zeit keine inneren Instanzen mehr gibt, die innere Gewalt ausüben. Stattdessen gibt es dann eine innere Regulierung, die auf objektiver Wahrnehmung, Verstehen und Liebe beruht.
Der beste Wegist der, Macht und Einfluß des Überich zu vermindern und es soweit wie möglich mit Bewußtheit zu ersetzen, bis schließlich zu seiner endgültigen und vollkommenen Absetzung. Dadurch werden wiederum einige wichtige Aspekte von Essenz etabliert.
Das Ich reagiert auf das Überich automatisch und unbewußt mit Verdrängung von Teilen der Persönlichkeit, um sich vor seinen schmerzhaften Angriffen zu schützen. Eine wirksame Weise mit dem Überich zu arbeiten, besteht darin, zu lernen, sich auf eine andere Weise gegen seine Angriffe zu schützen, als verdrängen oder die anderen unbewußten Abwehrmechanismen einsetzen zu müssen. Die Methode muß bewußt und gezielt sein, im Gegensatz zu den gewohnheitsmäßigen, automatischen Reaktionen, die nur Unbewußtheit fördern können. Lernen, wie man sich bewußt und gezielt gegen das Überich und seine Angriffe verteidigt, bedeutet ein ganz neues Verstehen und eine ganze innere Technologie zu lernen. Sie nutzt das Wissen davon, was das Überich ist, und die eigene Intelligenz, um mit ihm umzugehen und sich gegen seine Angriffe zu verteidigen.
Ein einfaches Beispiel, um diese Methode zu veranschaulichen: Angenommen ein Mann reagiert jedesmal mit Scham, wenn er ein zärtliches Gefühl für einen anderen Menschen empfindet. Das Überich attackiert ihn mit Scham und Herabsetzung, entsprechend dem Urteil, daß Zärtlichkeit bei einem Mann heißt, daß er schwach und feminin ist. Um anzufangen an seinem Überich zu arbeiten, muß er sich zuerst des Angriffs, seines Inhalts und des Inhalts des Urteil bewußt sein. Dann muß er das Urteil psychodynamisch verstehen. Zum Beispiel könnte er sich daran erinnern, daß sein Vater die Einstellung hatte, daß Männer hart sein sollten und Zärtlichkeit nur zu Mädchen und Frauen paßt. Dann versteht er, daß er die Haltung seines Vaters introjiziert hat und sie zum Teil seines Überich gemacht hat. Normalerweise reagiert er auf diese Haltung, die ein Angriff auf ihn selbst ist, mit Scham und Verdrängung. Er wendet jetzt diese Methode an, stellt sich seinen Vater vor und sagt ihm: "Papa, laß mich in Ruhe' Du kannst von mir denken, was Du willst." Er geht mit seinem Überich so um, wie er es als Kind mit seinem Vater nicht gekonnt hätte. Er hatte sich gegen seinen Vater nicht wehren können, weil er ihm geglaubt hat, Angst vor ihm hatte und ihn brauchte. Diese Methode wirkt vielleicht nicht das erste Mal, aber wenn man es mehrmals wiederholt, wird es die Aggressionen des Mannnes an die Oberfläche bringen und er wird lernen, sich zu behaupten und sich von der Haltung seines Vaters zu trennen.
Die Abwehr muß intelligent sein, damit sie wirkt. Wenn der Mann zum Beispiel antwortet: "Vater, es ist nicht wahr, daß ich schwach und feminin bin. Zärtlichkeit ist gut, und bedeutet nicht Schwäche oder Feminin sein", dann argumentiert er mit einem Überich, daß nicht wirklich rational ist. Außerdem hat er diese Antwort wahrscheinlich auch schon viele Male versucht, aber ohne Erfolg, weil er mit dieser Antwort in der Defensive ist. Er versucht, sein Gefühl zu rechtfertigen und jemand anders bestätigen zu lassen, daß er in Ordnung ist. Eine Rechtfertigung impliziert schon ein gewisses Schuldgefühl, deshalb wirkt sie nicht. Die Antwort: "Papa, laß mich in Ruhe!" ist wirksam, weil sie kein Versuch der Erklärung oder Rechtfertigung ist und es deshalb auch keine Implikation unbewußter Schuld gibt. Der Mann wirft den Angriff einfach zurück und weigert sich, ihren Inhalt zu hören. Er distanziert sich vollkommmen vom Überich und gibt ihm keine Macht über sich.
Es ist schwer, die Kraft und Effektivität dieser Methode einzuschätzen, ohne sie zu erlernen und eine gewisse Zeit lang zu versuchen. Aber wenn man lernt, sich gegen sein Überich zu verteidigen, dann braucht man mit der Zeit die unbewußten Abwehrmechanismen nicht mehr. Dann bringt ein wenig Arbeit an Aufmerksamkeit und Wachheit das unbewußte Material ans Licht. Das ist ein ein allmählicher Prozess der Öffnung des Unbewußten, der für innere Entwicklung von äußerster Wichtigkeit ist. Man lernt, so geschickt und gewandt im Umgang mit
dem Überich zu werden, daß es nach und nach seinen Griff lockert. Die Struktur des Überich selbst wird für das Verstehen bloßgelegt und das hilft, ihre strukturelle Basis auflösen.
Diese Methode wird, wenn sie bis zu Ende angewandt wird, zur Verwirklichung und Entwicklung verschiedener essentieller Aspekte führen. Die Aktivierung von Aggression für Abwehr und Selbstbehauptung führt zum essentiellen Aspekt der Stärke. Mit der Zeit führt sie dann zum essentiellen Aspekt des Selbst, der wahren Identität. Die Intelligenz, die man bei dieser Methode braucht, entwickelt sich mit der Zeit zum Aspekt objektiven Bewußtseins, dem Diamant-Körper. Die moralischen Regeln und Normen des Urteilens weichen allmählich dem essentiellen Gewissen. Dieser Aspekt von Essenz wird der wahre Beschützer der Essenz, die wahre Abwehr, und ersetzt die unbewußten Abwehrmechanismen des Ich.
Die Arbeit auf diese Ebene der Verwirklichung hin führt dann zur Arbeit mit dem Ich und dem Es, den tieferen Determinanten der Struktur des Überich.
Das Überich
Wir werden kurz und sehr allgemein die wichtigsten Züge der Schrittfolge der Entwicklung im Falle eines normalen Menschen besprechen. Eine genauere Beschreibung folgt in einer späteren Publikation. Die tiefsten und unmittelbarsten Wahrheiten bleiben der mündlichen Vermittlung vorbehalten, dem Prozess des Lehrens selbst.
Während sich Bewußtheit ausdehnt, wird sich der Mensch als erstes der Notwendigkeit bewußt, Wege zu finden, sich mit seinem Überich auseinanderzusetzen. Das ist die erste wichtige Aufgabe. Ohne die Fähigkeit dazu, wird man es äußerst schwer finden, Bewußtheit weiter auszudehnen und sich mit dem Unbewußten auseinanderzusetzen.
Der Grund dafür ist, daß der Status quo der Persönlichkeit vom Überich aufrechterhalten wird, und zwar besonders dadurch, daß das Unbewußte mittels der Abwehrmechanismen des Ich unbewußt gehalten wird. Die Instanz, die diese Abwehrfunktionen erzwingt, ist das Überich.
Wir müssen den Verdrängungsprozess begreifen, um diesen Mechanismus besser zu verstehen: Bewußtheit des unbewußten Materials macht dem Ich Angst. Das Ich antwortet auf Angst mit Verdrängung; es schneidet Bewußtheit vom auftauchenden unbewußten Material ab. So vermeidet es die Erfahrung der Angst und damit die desintegrierende Wirkung der Angst auf die Ich-Struktur.
Ursprünglich war die Angst die Furcht vor den Gewalt ausübenden Mächten in der Kindheit, repräsentiert vor allem durch die Eltern. Wann immer die Eltern etwas mißbilligen, was das Kind tut oder fühlt - und das geschieht wiederholt - lernt das Kind, aus Furcht vor dieser Mißbilligung und auch aus Liebe zu den Eltern, die jeweilige Handlung und das jeweilige Gefühl zu unterdrücken und schließlich zu verdrängen. Mit der Zeit aber wird die Mißbilligung als Teil des eigenen Überich des Kindes internalisiert. Wenn dann eine Situation diese besondere Handlung oder dieses Gefühl provoziert, antwortet das Überich des Kindes mit Mißbilligung und straft das Kind mit Schuldgefühl, Scham und anderen schmerzhaften Affekten. Die Furcht wird die Furcht vor dem eigenen Überich. Das Kind lernt aus dieser Furcht vor dem Überich und der Strafe, sich auf die gleiche Weise zu verteidigen wie gegen seine Eltern. Es verdrängt die jeweilige Handlung oder das jeweilige Gefühl. Es schneidet die Bewußtheit seiner eigenen Impulse, Gefühle und Handlungen ab. Damit das wirksam sein kann, muß der ganze Mechanismus unbewußt und automatisch sein. Das Unbewußte bleibt aus Furcht vor dem Überich, und um sich gegen seine Angriffe zu schützen, unbewußt. So wird das Überich die innere Zwangsinstanz, die über den Status quo der Persönlichkeit wacht.
Das bedeutet, daß man sich, wenn man Bewußtheit entwickelt und einiger Teile des Unbewußten bewußt wird, der Furcht vor dem Überich und, wenn man über diese Furcht hinausgeht, seinen Angriffen selbst aussetzt. Abgesehen davon, daß diese Konfrontation mit dem Übrich viel Schmerz und Leiden verursacht, hemmt sie Bewußtheit und ihre Ausdehnung, bis man eine Lösung für diese Situation findet.
Die Psychoanalyse analysiert in so einem Fall die Situation und versucht, ihre Entstehung zu verstehen. Mit der Zeit verbessert dieser Prozess die Situation. Das Überich wird in seinen Forderungen und Normen realistischer und seine Angriffe milder. Andere Schulen benutzen andere Methoden, um mit dem Überich direkt oder indirekt zu arbeiten, aber alle psychotherapeutischen Methoden arbeiten nur daraufhin, die Situation zu verbessern. Das Überich bleibt ein wichtiger und aktiver Teil der Persönlichkeit. Die Möglichkeit der vollkommenen Auflösung des Überich liegt nicht im Blickwinkel von Psychotherapie und wird von ihr auch nicht als wünschenswertes Ziel gesehen.
Es liegt auf der Hand, daß das so ist, weil in der 'Weltanschauung' des Analytikers und des Psychotherapeuten Essenz nicht vorkommt. Die Präsenz von Essenz, mit ihrer unmittelbaren und objektiven Wahrnehmung und ihrer ausgeglichenen menschlichen Natur ist unbekannt, so daß ein Leben ohne das Überich und stattdessen mit einer objektiven Wahrnehmung im Horizont des Möglichen nicht vorkommt. Das Vermögen der Essenz, zu wissen und ihrem Wissen gemäß zu handeln, wird nicht gesehen. Es bleibt also immer der Glaube an die Notwendigkeit, daß Ideale, Moral und Regeln das Leben lenken müssen. Aus unserer Perspektive ist das Überich die innere Zwangsinstanz, die der Ausdehnung von Bewußtheit und der inneren Entwicklung entgegensteht, unabhängig davon wie milde oder vernünftig es wird. Es ist ein Ersatz, und zwar ein grausamer, für unmittelbare Wahrnehmung und unmittelbares Wissen. Innere Entwicklung verlangt, daß es mit der Zeit keine inneren Instanzen mehr gibt, die innere Gewalt ausüben. Stattdessen gibt es dann eine innere Regulierung, die auf objektiver Wahrnehmung, Verstehen und Liebe beruht.
Der beste Wegist der, Macht und Einfluß des Überich zu vermindern und es soweit wie möglich mit Bewußtheit zu ersetzen, bis schließlich zu seiner endgültigen und vollkommenen Absetzung. Dadurch werden wiederum einige wichtige Aspekte von Essenz etabliert.
Das Ich reagiert auf das Überich automatisch und unbewußt mit Verdrängung von Teilen der Persönlichkeit, um sich vor seinen schmerzhaften Angriffen zu schützen. Eine wirksame Weise mit dem Überich zu arbeiten, besteht darin, zu lernen, sich auf eine andere Weise gegen seine Angriffe zu schützen, als verdrängen oder die anderen unbewußten Abwehrmechanismen einsetzen zu müssen. Die Methode muß bewußt und gezielt sein, im Gegensatz zu den gewohnheitsmäßigen, automatischen Reaktionen, die nur Unbewußtheit fördern können. Lernen, wie man sich bewußt und gezielt gegen das Überich und seine Angriffe verteidigt, bedeutet ein ganz neues Verstehen und eine ganze innere Technologie zu lernen. Sie nutzt das Wissen davon, was das Überich ist, und die eigene Intelligenz, um mit ihm umzugehen und sich gegen seine Angriffe zu verteidigen.
Ein einfaches Beispiel, um diese Methode zu veranschaulichen: Angenommen ein Mann reagiert jedesmal mit Scham, wenn er ein zärtliches Gefühl für einen anderen Menschen empfindet. Das Überich attackiert ihn mit Scham und Herabsetzung, entsprechend dem Urteil, daß Zärtlichkeit bei einem Mann heißt, daß er schwach und feminin ist. Um anzufangen an seinem Überich zu arbeiten, muß er sich zuerst des Angriffs, seines Inhalts und des Inhalts des Urteil bewußt sein. Dann muß er das Urteil psychodynamisch verstehen. Zum Beispiel könnte er sich daran erinnern, daß sein Vater die Einstellung hatte, daß Männer hart sein sollten und Zärtlichkeit nur zu Mädchen und Frauen paßt. Dann versteht er, daß er die Haltung seines Vaters introjiziert hat und sie zum Teil seines Überich gemacht hat. Normalerweise reagiert er auf diese Haltung, die ein Angriff auf ihn selbst ist, mit Scham und Verdrängung. Er wendet jetzt diese Methode an, stellt sich seinen Vater vor und sagt ihm: "Papa, laß mich in Ruhe' Du kannst von mir denken, was Du willst." Er geht mit seinem Überich so um, wie er es als Kind mit seinem Vater nicht gekonnt hätte. Er hatte sich gegen seinen Vater nicht wehren können, weil er ihm geglaubt hat, Angst vor ihm hatte und ihn brauchte. Diese Methode wirkt vielleicht nicht das erste Mal, aber wenn man es mehrmals wiederholt, wird es die Aggressionen des Mannnes an die Oberfläche bringen und er wird lernen, sich zu behaupten und sich von der Haltung seines Vaters zu trennen.
Die Abwehr muß intelligent sein, damit sie wirkt. Wenn der Mann zum Beispiel antwortet: "Vater, es ist nicht wahr, daß ich schwach und feminin bin. Zärtlichkeit ist gut, und bedeutet nicht Schwäche oder Feminin sein", dann argumentiert er mit einem Überich, daß nicht wirklich rational ist. Außerdem hat er diese Antwort wahrscheinlich auch schon viele Male versucht, aber ohne Erfolg, weil er mit dieser Antwort in der Defensive ist. Er versucht, sein Gefühl zu rechtfertigen und jemand anders bestätigen zu lassen, daß er in Ordnung ist. Eine Rechtfertigung impliziert schon ein gewisses Schuldgefühl, deshalb wirkt sie nicht. Die Antwort: "Papa, laß mich in Ruhe!" ist wirksam, weil sie kein Versuch der Erklärung oder Rechtfertigung ist und es deshalb auch keine Implikation unbewußter Schuld gibt. Der Mann wirft den Angriff einfach zurück und weigert sich, ihren Inhalt zu hören. Er distanziert sich vollkommmen vom Überich und gibt ihm keine Macht über sich.
Es ist schwer, die Kraft und Effektivität dieser Methode einzuschätzen, ohne sie zu erlernen und eine gewisse Zeit lang zu versuchen. Aber wenn man lernt, sich gegen sein Überich zu verteidigen, dann braucht man mit der Zeit die unbewußten Abwehrmechanismen nicht mehr. Dann bringt ein wenig Arbeit an Aufmerksamkeit und Wachheit das unbewußte Material ans Licht. Das ist ein ein allmählicher Prozess der Öffnung des Unbewußten, der für innere Entwicklung von äußerster Wichtigkeit ist. Man lernt, so geschickt und gewandt im Umgang mit
dem Überich zu werden, daß es nach und nach seinen Griff lockert. Die Struktur des Überich selbst wird für das Verstehen bloßgelegt und das hilft, ihre strukturelle Basis auflösen.
Diese Methode wird, wenn sie bis zu Ende angewandt wird, zur Verwirklichung und Entwicklung verschiedener essentieller Aspekte führen. Die Aktivierung von Aggression für Abwehr und Selbstbehauptung führt zum essentiellen Aspekt der Stärke. Mit der Zeit führt sie dann zum essentiellen Aspekt des Selbst, der wahren Identität. Die Intelligenz, die man bei dieser Methode braucht, entwickelt sich mit der Zeit zum Aspekt objektiven Bewußtseins, dem Diamant-Körper. Die moralischen Regeln und Normen des Urteilens weichen allmählich dem essentiellen Gewissen. Dieser Aspekt von Essenz wird der wahre Beschützer der Essenz, die wahre Abwehr, und ersetzt die unbewußten Abwehrmechanismen des Ich.
Die Arbeit auf diese Ebene der Verwirklichung hin führt dann zur Arbeit mit dem Ich und dem Es, den tieferen Determinanten der Struktur des Überich.