Erleuchtung bedeutet ungefilterte Wahrnehmung.
Dem würde ich zustimmen wollen. Und einen Gedanken aus meiner Sicht anfügen:
Die Dinge so zu sehen, wie sie sind, ist nämlich, vorsichtig ausgedrückt,
harter Tobak. Die Dinge ungefiltert zu sehen, ist eine Erfahrung, die zumindest mich mehrfach zutiefst erschüttert hat.
Und ich habe für mich festgestellt:
Bin ich nicht frei von Selbstmitleid, reißt es mir den Arsch auf.
Bin ich nicht frei von Minderwertigkeitsgefühlen, reißt es mir den Arsch auf.
Bin ich nicht frei von Hochmut, Geltungsgier, Eitelkeit und Schuldgefühlen, reißt es mir
sofort den Arsch auf, sobald ich sehe.
Ich habe den EIndruck: All das mag im Muggelbewusstsein, im Reich des Halbschlafes, im Kindergarten des Menschseins noch funktionieren... Im 'Reich des Sehenden' ist dafür allerdings kein Platz mehr. Aber die Erfahrung des Sehens lehrt gleichermaßen auch all das - ohne Erbarmen. Sie lehrt und erfordert , das Aufgeben persönlicher Verhaftung, sie lehrt Vertrauen, bedingungslose Selbst- und Nächstenliebe und nicht zuletzt lehrt und erfordert sie Mut. All das, was von mir selber kommen muss. Sie zwingt mich, die alten mechanischen Spiele seinzulassen, die ich so lange eingeübt habe, dass sie mir in Fleisch und Blut übergegangen sind. Und sobald der innere Monolog anspringt, und mich glaubend macht, auch nur einen Deut besser zu sein, als alle, die diese Spiele noch spielen... naja.. man ahnt es schon...
Und das ist halt Arbeit.
...Um all den Schmerz zu spüren und all die Scheiße zu sehen, und ruhig und gechillt zu bleiben, um jetzt hier zu sein und zu erkennen, dass es ok ist.
Also: bedeutet Erleuchtung für mich nicht nur, die Welt ungefiltert wahrzunehmen, "sie mein Herz berühren zu lassen" (Trungpa), sondern auch,
damit klarzukommen. Und in dem Maße ich bereit bin, die Welt ungefiltert zu sehen, sprich damit klarzukommen, die Reife habe, die
Weite meines Herzens jetzt ausreicht, dies durchzulassen, stellt sich das Sehen quasi von alleine ein.
