Existenz rulez!
Verfasst: 3. Juli 2008, 17:42
Ich kann's nicht lassen, den Thread von Nameless allen Widerständen zum Trotz am Leben zu halten, weshalb hier sein Startpost kommt:
Gestern saß ich im bus nach hause. Die buslinie fährt eine strecke, die durch recht viel natur führt. Ich saß ziemlich weit vorne, weit genug, um ebenfalls die straße vor dem bus zu überschauen. Eine weile, gerade als der bus wieder eine grüne zone passiert hat, war ich in gedanken versunken und habe links aus dem fenster ins leere geguckt. Doch auf ein mal wurde der bus langsamer, obwohl weder eine haltestelle noch eine ampel in diesem bereich vorzufinden ist. Von der neugier aus dem gedanklichen schlaf geweckt richtete ich meinen blick auf die straße vor dem bus, natürlich ein auto oder ähnliches als hindernis erwartend. Doch wie alle anderen menschen, die das event erlebt haben, habe ich eine überraschung erleben dürfen. Was den busfahrer dazu gebracht hat langsamer zu werden, war nichts anderes als zwei spazierende enten. Eine weibliche, eine männliche.
Zwei enten trampelten nebeneinander von links nach rechts über die straße. Scheinbar völlig unbeeindruckt von dem ankommenden bus wechselten sie gelassen die spur, womit dem busfahrer nichts anderes übrig blieb, als den bus ein paar meter vor ihnen anzuhalten. Und nachdem der bus angehalten hat, hat auch die männliche ente vorübergehend angehalten und in die richtung des buses geguckt. Fast schon so, als ob sie „danke schön“ sagen wollte. Das war der augenblick, indem der busfahrer scheinbar endgültig an seiner wahrnehmung zu zweifeln begann, und er drehte sich mit einem lächeln, das scheinbar gleichzeitig freude und unglauben auszudrücken versucht hat, zu den fahrgästen um. Offensichtlich um seine gegenwärtige wahrnehmung durch andere menschen bestätigt vorzufinden. Er hat auch erleichterung gefunden, denn mittlerweile hatten alle leute im vorderen busbereich, inclusive meiner wenigkeit, ein mehr oder weniger ähnliches, wunderschönes lächeln im gesicht. Menschen die sich nicht kennen, und die sich möglicherweise nie kennen lernen werden, tauschten sich gegenseitig sehr entzückte blicke aus. Sie ahnten dass das, was zu dem zeitpunkt in ihnen vorgeht, auch in den anderen zu der zeit vorgeht. Das ganze hatte fast schon etwas zeremonielles, so als ob unsere bus vorübergehend zu einem tempel geworden wäre, in dem sich die existenz mit nichts anderem als sich selbst identifiziert. Wir wussten alle dass es schön war, und dass es schön war es miterlebt zu haben. Ein imaginäres, weil nur in der imagination gebliebenes selbst von mir, ist aufgesprungen und hat zu den mitreisenden gerufen: „Leute ich könnte euch all dafür knuddeln, dass wir das hier zusammen erlebt haben.“
Denn da war auf ein mal dieser zustand wieder, so als ob ich sehr schnell fallen würde, jedoch mit der gleichzeitigen gewissheit, dass der aufprall nie kommen wird. Als ob honig in meine seele fliessen würde. So als ob ich die erfüllte sehnsucht aller künstler zu spüren dürfte, die ihr werk endlich vollendet haben. Oft ist mein verstand leider bei unerwarteten dingen schneller als das licht, um ein ereignis zu ‚beleuchten’, es auseinander zu nehmen, es von allen seiten zu begutachten, und es dann, da ja bereits bekannt und dazu mangelhaft, als minderwertig abzulehnen. Doch dieses mal hat der verstand einfach die klappe gehalten. Nicht weil er nicht da war, nicht weil er nicht durfte, er konnte einfach nichts finden, was es zu bemängeln gäbe. Trotz all der sorgen und probleme, die ich wie ein jeder mensch habe, in diesen augenblicken gab es weder einen grund körperlich wie geistig irgendwas, irgendwo hinterher zu ‚laufen’, noch vor irgendwas davon zu laufen. In diesen augenblicken an diesem ort zu sein, war einfach nur perfekt stimmig. Sich die situation irgendwie anders zu wünschen, irgendwas dort und dann hinzu haben zu wollen, wäre so als ob man versuchen würde, einem fisch beine anzubringen. Wenn ich mal einige augenblicke für mich in die unendlichkeit ‚schmuggeln’ müsste, dann hätten diese dort ganz gute chancen gehabt. Und alles was ich dafür getan hatte, war einfach in diesen bus um diese uhrzeit einzusteigen. Den rest erledigte das leben selbst.
Jedenfalls ging auch die zweite ente schliesslich weiter und wir fuhren weiter, um einige sehr schöne augenblicke bereichert. Der zustand den ich erlebte, ging mit der zeit natürlich wieder in den hintergrund. Das war schon ok. Aber da tat sich danach mehr. Ich spürte dass sich tief in mir was bewegt hatte. Ich ging zur packstation, um ein paar bestellte bücher abzuholen, mental war ich jedoch komplett mit meinem seelischen erleben beschäftigt. Einige ‚unaufgelöste’ lebensereignisse schossen mir durch den kopf, von denen ich nie angenommen hätte, dass sie miteinander verbunden sein könnten. Ich dachte daran wie die augen meiner kleinen cousine grösser wurden, wenn ich ihr die welt erklärte (darauf komme ich später noch zurück), ich dachte über meine für mich und meine seele unakzeptable haltung mancher buddhisten, sich bloß von einem jeglichen lebensspass fern zu halten, um ja nicht zu stark am samsare anzuhaften und somit so schnell wie möglich im nirvana zu verschwinden, oder zumindest eine bessere wiedergeburt zu erwirken, welch eine lebensphobie. Ich ging viele andere eindrücke durch. Fast schon passiv denn nicht wirklich bewertend sondern eher passende teile zu einander bringend. Es schossen durch mich die eindrücke der viel zu vielen unglücklichen menschen, denen ich im leben begegnet war, denn auf die wirkte ich irgendwie immer wie ein magnet.
Ich ging meine eigene, seelische entwicklung durch, mit all den ungeklärten fragen, die mir fast nie meine ruhe liessen, und ich ging noch mal die situation im bus durch, wie ein so simples ereignis soo viel freude geschaffen hatte. Und auf ein mal war ich komplett überwältigt, denn auf ein mal war mir kristall klar, wodurch eine gewisse seelische leere bei mir, eine art spiritueller frustration, die bis ins frühste jugendalter zurück ging, bedingt war. Die gedanken, die mir durch den kopf schossen, waren in etwa: „Nameless, scheiss auf jegliche paradiese, scheiss auf ein wie auch immer geartetes leben nach dem tod, scheiss auf ein ewiges leben, scheiss auf jegliche gottes – ideen, scheiss auf erleuchtung, scheiss auf jegliche versenkungszustände, scheiss auf transzendenz – erwartungen, scheiss auf lebenssinn – suche.
Das heiligste, ja göttliche geschenk wurde dir schon längst, wie auch allen anderen menschen, übergeben. Das megawunder ist bereits vollbracht und es ist nichts anderes als die tatsache dass wir existieren und überhaupt existieren durften.
Wie kann man, wenn man den unbestochenen geist auf diese tatsache fokussiert, nicht in ehrfurcht und staunen verfallen? Meine seele macht dabei zumindest grooosse augen und bringt gerade mal ein „wow!“ heraus. Ein alles in schatten stellendes wunder, das weder je verstanden werden kann noch es braucht. Wie konnte ich mich jemals entwundern? Wie ist mir dieser sense of wonder jemals abhanden gekommen? Das, was wir als das selbstverständlichste erachten, weil es eben für uns schon immer da war, ist eben das krasse gegenteil davon. Wenn es ein spirituelles verbrechen oder eine sünde gibt, dann ist es wahrscheinlich dieses wunder aus den augen zu verlieren! Wir sind da, mein lieber leser! Unsere wundergeschichte läuft bereits auf vollen touren! Und egal was passiert, nichts kann je etwas daran ändern, dass wir existiert haben.
Menschen glauben oft dass wundertäter übers wasser laufen müssten und so zeugs, dabei sind sie alle selbst die grössten wundertäter, und zwar einfach dadurch dass sie tag für tag leben. Eigentlich sollten wir schon längst einen feiertag haben, an dem wir einfach die existenz an sich zelebrieren. An dem wir schlicht feiern dass wir alle existieren und existieren durften und dass überhaupt etwas geschieht.
Leben nach dem tod? Völlig egal, denn es gibt ja bereits leben vor dem tod. Ich bin nicht von wo auch immer auf diese welt gekommen, sondern bin regelrecht aus ihr hervorgegangen. Alles was ich je war ist untrennbar mit dem diesseits verbunden, von daher werde ich es auch sicher nicht mehr sein, der eine mögliche reise nach dem tod fortsetzt. Tod an sich? Nichts weiter als ein rahmengeber für die individuellen wunderwerke. Nichts macht das lebenswunder heiliger als der tod selbst. Ewiges leben würde das wunder schlagartig entweihen.
Als meine kleine cousine damals so grosse augen gemacht hatte, da hatte sie es gespürt. Intuitiv hat sie gefühlt dass hier etwas enorm grosses und wunderbares abgeht, das nie ein ende haben wird. Auch ihre seele machte sicher „wow!“ zu diesem zeitpunkt. Und kinder in und bis zu einem gewissen alter haben es sehr oft und strahlen es auch aus. Dieses gefühl dass das wunder eben gerade passiert, und zwar dort wo sie sind und bei dem, was sie tun. Aus irgendeinem grund verlieren/verlernen/vergessen es die meisten von uns im vorgang des erwachsen - werdens, doch ich habe das gefühl, dass wenn wir es doch schaffen, diese völlig natürliche existenzliebe aufzufrischen, dass wir dann nicht nur dieses gefühl wieder erleben können, sondern auch noch etwas haben können, was einem kind noch unzugänglich ist; die komplette klarheit darüber was es wirklich bedeutet zu sein, mit all den facetten und konsequenzen.
-Mit den händen einen rhythmus auf den beinen spielen
-Einen assam – tee trinken
-Die wolken beobachten u. zur überraschung feststellen, dass das loch in der grossen wolke genau die bis dahin verdeckte sonne passiert
-Nachts ein gewitter erleben
-Bei einem miesen regenwetter nach hause kommen und die durchnässten klamotten ablegen
-Die nachfolgende erkältung kurieren
-In einer heiteren runde blödsinn reden und so tun als ob
-Jemandem in dem zug gegenüber einfach zuwinken
-Ein buch lesen
-Hungrig eine mit salemi belegte scheibe brot essen
-Sich in der wohnung mit einer flasche rotwein verschanzen weil ach so vieles nicht so läuft
-Mit paar leuten die nacht durchzechen und bei der verzweiflung über die kopfschmerzen am folgenden tag sich belügen, nie wieder etwas zu trinken
-Einen beitrag in einem forum schreiben
-Eine neue kneipe abchecken
-Phantasiereisen machen
-Vor wut mit voller wucht die fernbedienung gegen die wand schmeissen
-Sich mit jemandem über einen wichtigen punkt streiten
-Bei roter ampel die strasse überqueren
-Am bahnof auf den zug wartend sich der tatsache bewusst sein, dass die passierenden massen aus menschen bestehen, die alle eine mindestens genau so reiche u bunte geschichte haben, wie du selbst
-Das eichhörnchen beobachten
-Eine platte, die man ein halbes leben zurück gehört hat wieder anmachen, und sie ganz und gar komisch finden
-Wochenlang gar nicht ans telefon gehen
-Dabei zu sein, wenn eine ganze nation im wm – fieber steckt
-Die reflexion der sonne an der plastikverpackung der taschentücher bemerken
-Den 60-er jahre mief eines hochhauskellers einatmen
-Die brille zur reperatur bringen, sich dabei wieder fragen wo fielmann immer diese sexy frauen auftreibt, und beten, dass einem auf die melodische „was kann ich für sie tun?“ – frage nicht aus versehen etwas vom ficken rausrutscht
-Den wecker eine stunde eher stellen und nach dem klingeln wieder mit dem bewusstsein ins bett zurückrollen, dass man noch eine ganze stunde weiter schlafen u träumen kann
-An einem freien tag aufwachen und die existenz fragen: „was machen wir heute?“
-Bus fahren und entzückt sein, über zwei die strasse passierende enten
Und, und, und....
Nicht nur geschieht es, wir sind es auch noch, die das immer wieder erleben durften und dürfen. Wenn das mal nicht so was von extrem geil ist! Ja, es gibt kriege, seuchen, naturkatastrophen, vergewaltigungen, morde, unfälle, betrug, ungerechtigkeit usw, mehr als genug und sicher viel zu viel. Doch wenn ich mit dem bewusstsein dessen in mich gehe, so steigt aus meiner seele dennoch die überzeugung auf, dass die gesamte negative stärke all dieser dramen zusammen völlig verblasst gegenüber der schlichten tatsache, dass die opfer wenigstens eine minute lang existieren durften oder dass ihnen wenigstens kurz jedoch voll bewusst wurde, dass überhaupt etwas geschieht.
Phyrros hat vor einiger zeit etwas geschrieben, was mich berührt hat, weil ich mich darin ebenfalls wiedergefunden habe. „Lebe ich ein leben das es mir erlaubt zu sterben?“ Ich weiss dass ich jetzt zu einem beliebigem zeitpunkt mit gelassenheit sterben kann. Denn ich bin mir jetzt sicher, dass ich, egal wie ich bisher gelebt habe und am ende gelebt haben werde, ich meine letzten atemzüge nicht mehr mit unerfüllter sehnsucht, sondern mit ehrfurcht und dankbarkeit der existenz gegenüber machen werde.
Und somit bleibt mir jetzt nichts anderes übrig, als dir, mein lieber, interessierter leser, vom ganzen herzen noch viel spass am und durch das wunder der existenz zu wünschen.
Gestern saß ich im bus nach hause. Die buslinie fährt eine strecke, die durch recht viel natur führt. Ich saß ziemlich weit vorne, weit genug, um ebenfalls die straße vor dem bus zu überschauen. Eine weile, gerade als der bus wieder eine grüne zone passiert hat, war ich in gedanken versunken und habe links aus dem fenster ins leere geguckt. Doch auf ein mal wurde der bus langsamer, obwohl weder eine haltestelle noch eine ampel in diesem bereich vorzufinden ist. Von der neugier aus dem gedanklichen schlaf geweckt richtete ich meinen blick auf die straße vor dem bus, natürlich ein auto oder ähnliches als hindernis erwartend. Doch wie alle anderen menschen, die das event erlebt haben, habe ich eine überraschung erleben dürfen. Was den busfahrer dazu gebracht hat langsamer zu werden, war nichts anderes als zwei spazierende enten. Eine weibliche, eine männliche.
Zwei enten trampelten nebeneinander von links nach rechts über die straße. Scheinbar völlig unbeeindruckt von dem ankommenden bus wechselten sie gelassen die spur, womit dem busfahrer nichts anderes übrig blieb, als den bus ein paar meter vor ihnen anzuhalten. Und nachdem der bus angehalten hat, hat auch die männliche ente vorübergehend angehalten und in die richtung des buses geguckt. Fast schon so, als ob sie „danke schön“ sagen wollte. Das war der augenblick, indem der busfahrer scheinbar endgültig an seiner wahrnehmung zu zweifeln begann, und er drehte sich mit einem lächeln, das scheinbar gleichzeitig freude und unglauben auszudrücken versucht hat, zu den fahrgästen um. Offensichtlich um seine gegenwärtige wahrnehmung durch andere menschen bestätigt vorzufinden. Er hat auch erleichterung gefunden, denn mittlerweile hatten alle leute im vorderen busbereich, inclusive meiner wenigkeit, ein mehr oder weniger ähnliches, wunderschönes lächeln im gesicht. Menschen die sich nicht kennen, und die sich möglicherweise nie kennen lernen werden, tauschten sich gegenseitig sehr entzückte blicke aus. Sie ahnten dass das, was zu dem zeitpunkt in ihnen vorgeht, auch in den anderen zu der zeit vorgeht. Das ganze hatte fast schon etwas zeremonielles, so als ob unsere bus vorübergehend zu einem tempel geworden wäre, in dem sich die existenz mit nichts anderem als sich selbst identifiziert. Wir wussten alle dass es schön war, und dass es schön war es miterlebt zu haben. Ein imaginäres, weil nur in der imagination gebliebenes selbst von mir, ist aufgesprungen und hat zu den mitreisenden gerufen: „Leute ich könnte euch all dafür knuddeln, dass wir das hier zusammen erlebt haben.“
Denn da war auf ein mal dieser zustand wieder, so als ob ich sehr schnell fallen würde, jedoch mit der gleichzeitigen gewissheit, dass der aufprall nie kommen wird. Als ob honig in meine seele fliessen würde. So als ob ich die erfüllte sehnsucht aller künstler zu spüren dürfte, die ihr werk endlich vollendet haben. Oft ist mein verstand leider bei unerwarteten dingen schneller als das licht, um ein ereignis zu ‚beleuchten’, es auseinander zu nehmen, es von allen seiten zu begutachten, und es dann, da ja bereits bekannt und dazu mangelhaft, als minderwertig abzulehnen. Doch dieses mal hat der verstand einfach die klappe gehalten. Nicht weil er nicht da war, nicht weil er nicht durfte, er konnte einfach nichts finden, was es zu bemängeln gäbe. Trotz all der sorgen und probleme, die ich wie ein jeder mensch habe, in diesen augenblicken gab es weder einen grund körperlich wie geistig irgendwas, irgendwo hinterher zu ‚laufen’, noch vor irgendwas davon zu laufen. In diesen augenblicken an diesem ort zu sein, war einfach nur perfekt stimmig. Sich die situation irgendwie anders zu wünschen, irgendwas dort und dann hinzu haben zu wollen, wäre so als ob man versuchen würde, einem fisch beine anzubringen. Wenn ich mal einige augenblicke für mich in die unendlichkeit ‚schmuggeln’ müsste, dann hätten diese dort ganz gute chancen gehabt. Und alles was ich dafür getan hatte, war einfach in diesen bus um diese uhrzeit einzusteigen. Den rest erledigte das leben selbst.
Jedenfalls ging auch die zweite ente schliesslich weiter und wir fuhren weiter, um einige sehr schöne augenblicke bereichert. Der zustand den ich erlebte, ging mit der zeit natürlich wieder in den hintergrund. Das war schon ok. Aber da tat sich danach mehr. Ich spürte dass sich tief in mir was bewegt hatte. Ich ging zur packstation, um ein paar bestellte bücher abzuholen, mental war ich jedoch komplett mit meinem seelischen erleben beschäftigt. Einige ‚unaufgelöste’ lebensereignisse schossen mir durch den kopf, von denen ich nie angenommen hätte, dass sie miteinander verbunden sein könnten. Ich dachte daran wie die augen meiner kleinen cousine grösser wurden, wenn ich ihr die welt erklärte (darauf komme ich später noch zurück), ich dachte über meine für mich und meine seele unakzeptable haltung mancher buddhisten, sich bloß von einem jeglichen lebensspass fern zu halten, um ja nicht zu stark am samsare anzuhaften und somit so schnell wie möglich im nirvana zu verschwinden, oder zumindest eine bessere wiedergeburt zu erwirken, welch eine lebensphobie. Ich ging viele andere eindrücke durch. Fast schon passiv denn nicht wirklich bewertend sondern eher passende teile zu einander bringend. Es schossen durch mich die eindrücke der viel zu vielen unglücklichen menschen, denen ich im leben begegnet war, denn auf die wirkte ich irgendwie immer wie ein magnet.
Ich ging meine eigene, seelische entwicklung durch, mit all den ungeklärten fragen, die mir fast nie meine ruhe liessen, und ich ging noch mal die situation im bus durch, wie ein so simples ereignis soo viel freude geschaffen hatte. Und auf ein mal war ich komplett überwältigt, denn auf ein mal war mir kristall klar, wodurch eine gewisse seelische leere bei mir, eine art spiritueller frustration, die bis ins frühste jugendalter zurück ging, bedingt war. Die gedanken, die mir durch den kopf schossen, waren in etwa: „Nameless, scheiss auf jegliche paradiese, scheiss auf ein wie auch immer geartetes leben nach dem tod, scheiss auf ein ewiges leben, scheiss auf jegliche gottes – ideen, scheiss auf erleuchtung, scheiss auf jegliche versenkungszustände, scheiss auf transzendenz – erwartungen, scheiss auf lebenssinn – suche.
Das heiligste, ja göttliche geschenk wurde dir schon längst, wie auch allen anderen menschen, übergeben. Das megawunder ist bereits vollbracht und es ist nichts anderes als die tatsache dass wir existieren und überhaupt existieren durften.
Wie kann man, wenn man den unbestochenen geist auf diese tatsache fokussiert, nicht in ehrfurcht und staunen verfallen? Meine seele macht dabei zumindest grooosse augen und bringt gerade mal ein „wow!“ heraus. Ein alles in schatten stellendes wunder, das weder je verstanden werden kann noch es braucht. Wie konnte ich mich jemals entwundern? Wie ist mir dieser sense of wonder jemals abhanden gekommen? Das, was wir als das selbstverständlichste erachten, weil es eben für uns schon immer da war, ist eben das krasse gegenteil davon. Wenn es ein spirituelles verbrechen oder eine sünde gibt, dann ist es wahrscheinlich dieses wunder aus den augen zu verlieren! Wir sind da, mein lieber leser! Unsere wundergeschichte läuft bereits auf vollen touren! Und egal was passiert, nichts kann je etwas daran ändern, dass wir existiert haben.
Menschen glauben oft dass wundertäter übers wasser laufen müssten und so zeugs, dabei sind sie alle selbst die grössten wundertäter, und zwar einfach dadurch dass sie tag für tag leben. Eigentlich sollten wir schon längst einen feiertag haben, an dem wir einfach die existenz an sich zelebrieren. An dem wir schlicht feiern dass wir alle existieren und existieren durften und dass überhaupt etwas geschieht.
Leben nach dem tod? Völlig egal, denn es gibt ja bereits leben vor dem tod. Ich bin nicht von wo auch immer auf diese welt gekommen, sondern bin regelrecht aus ihr hervorgegangen. Alles was ich je war ist untrennbar mit dem diesseits verbunden, von daher werde ich es auch sicher nicht mehr sein, der eine mögliche reise nach dem tod fortsetzt. Tod an sich? Nichts weiter als ein rahmengeber für die individuellen wunderwerke. Nichts macht das lebenswunder heiliger als der tod selbst. Ewiges leben würde das wunder schlagartig entweihen.
Als meine kleine cousine damals so grosse augen gemacht hatte, da hatte sie es gespürt. Intuitiv hat sie gefühlt dass hier etwas enorm grosses und wunderbares abgeht, das nie ein ende haben wird. Auch ihre seele machte sicher „wow!“ zu diesem zeitpunkt. Und kinder in und bis zu einem gewissen alter haben es sehr oft und strahlen es auch aus. Dieses gefühl dass das wunder eben gerade passiert, und zwar dort wo sie sind und bei dem, was sie tun. Aus irgendeinem grund verlieren/verlernen/vergessen es die meisten von uns im vorgang des erwachsen - werdens, doch ich habe das gefühl, dass wenn wir es doch schaffen, diese völlig natürliche existenzliebe aufzufrischen, dass wir dann nicht nur dieses gefühl wieder erleben können, sondern auch noch etwas haben können, was einem kind noch unzugänglich ist; die komplette klarheit darüber was es wirklich bedeutet zu sein, mit all den facetten und konsequenzen.
-Mit den händen einen rhythmus auf den beinen spielen
-Einen assam – tee trinken
-Die wolken beobachten u. zur überraschung feststellen, dass das loch in der grossen wolke genau die bis dahin verdeckte sonne passiert
-Nachts ein gewitter erleben
-Bei einem miesen regenwetter nach hause kommen und die durchnässten klamotten ablegen
-Die nachfolgende erkältung kurieren
-In einer heiteren runde blödsinn reden und so tun als ob
-Jemandem in dem zug gegenüber einfach zuwinken
-Ein buch lesen
-Hungrig eine mit salemi belegte scheibe brot essen
-Sich in der wohnung mit einer flasche rotwein verschanzen weil ach so vieles nicht so läuft
-Mit paar leuten die nacht durchzechen und bei der verzweiflung über die kopfschmerzen am folgenden tag sich belügen, nie wieder etwas zu trinken
-Einen beitrag in einem forum schreiben
-Eine neue kneipe abchecken
-Phantasiereisen machen
-Vor wut mit voller wucht die fernbedienung gegen die wand schmeissen
-Sich mit jemandem über einen wichtigen punkt streiten
-Bei roter ampel die strasse überqueren
-Am bahnof auf den zug wartend sich der tatsache bewusst sein, dass die passierenden massen aus menschen bestehen, die alle eine mindestens genau so reiche u bunte geschichte haben, wie du selbst
-Das eichhörnchen beobachten
-Eine platte, die man ein halbes leben zurück gehört hat wieder anmachen, und sie ganz und gar komisch finden
-Wochenlang gar nicht ans telefon gehen
-Dabei zu sein, wenn eine ganze nation im wm – fieber steckt
-Die reflexion der sonne an der plastikverpackung der taschentücher bemerken
-Den 60-er jahre mief eines hochhauskellers einatmen
-Die brille zur reperatur bringen, sich dabei wieder fragen wo fielmann immer diese sexy frauen auftreibt, und beten, dass einem auf die melodische „was kann ich für sie tun?“ – frage nicht aus versehen etwas vom ficken rausrutscht
-Den wecker eine stunde eher stellen und nach dem klingeln wieder mit dem bewusstsein ins bett zurückrollen, dass man noch eine ganze stunde weiter schlafen u träumen kann
-An einem freien tag aufwachen und die existenz fragen: „was machen wir heute?“
-Bus fahren und entzückt sein, über zwei die strasse passierende enten
Und, und, und....
Nicht nur geschieht es, wir sind es auch noch, die das immer wieder erleben durften und dürfen. Wenn das mal nicht so was von extrem geil ist! Ja, es gibt kriege, seuchen, naturkatastrophen, vergewaltigungen, morde, unfälle, betrug, ungerechtigkeit usw, mehr als genug und sicher viel zu viel. Doch wenn ich mit dem bewusstsein dessen in mich gehe, so steigt aus meiner seele dennoch die überzeugung auf, dass die gesamte negative stärke all dieser dramen zusammen völlig verblasst gegenüber der schlichten tatsache, dass die opfer wenigstens eine minute lang existieren durften oder dass ihnen wenigstens kurz jedoch voll bewusst wurde, dass überhaupt etwas geschieht.
Phyrros hat vor einiger zeit etwas geschrieben, was mich berührt hat, weil ich mich darin ebenfalls wiedergefunden habe. „Lebe ich ein leben das es mir erlaubt zu sterben?“ Ich weiss dass ich jetzt zu einem beliebigem zeitpunkt mit gelassenheit sterben kann. Denn ich bin mir jetzt sicher, dass ich, egal wie ich bisher gelebt habe und am ende gelebt haben werde, ich meine letzten atemzüge nicht mehr mit unerfüllter sehnsucht, sondern mit ehrfurcht und dankbarkeit der existenz gegenüber machen werde.
Und somit bleibt mir jetzt nichts anderes übrig, als dir, mein lieber, interessierter leser, vom ganzen herzen noch viel spass am und durch das wunder der existenz zu wünschen.