Innere Dynamik & Die "Dämonen" des Traumas

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Hier mal zwei Texte, die die selbe Problematik aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten.

Beide Texte sind von mir mehr{der Erste}oder weinger{der Zweite}stark überarbeitet.

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Der Erste ist angelehnt an einen Text von Barbara Ann Brennan:

Ebenso wie Sie sich als Kind ganz natürlich und ohne Planung dem Augenblick überlassen konnten, erleben Sie sicher auch heute noch herrliche Momente der Selbstvergessenheit, in denen Sie vom Fluß der Lebensenergie getragen werden, dessen Quelle in Ihnen selbst liegt. Dann sind die Farben leuchtender, der Geschmack ist süßer, die Luft duftet, die Geräusche werden zu Tönen einer Symphonie. Sie sind darin keine Ausnahme, jeder macht solche Erfahrungen. Diese Gefühle steigen aus der Tiefe Ihres Selbst auf. Sie kommen aus einer tiefen Quelle in Ihrem Inneren, Ihrem Wesenskern. Jeder kann lernen, sich diese tiefe innere Quelle zu erschließen. Um aber diese schöpferischen Energien willentlich freizusetzen, bedarf es der Übung. Dabei geht es darum, innere Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

=> Andererseits ist Krankheit — in jeder Form — zum größten Teil darauf zurückzuführen, daß wir unsere schöpferischen Energien blockieren.

Die automatische Reaktion auf schmerzhafte Erfahrungen in unserem Leben ist der Versuch, den Schmerz nicht zu fühlen. Bei körperlichen Schmerzen ziehen wir unser Bewußtsein von dem schmerzenden Körperteil ab. Von geistigen oder emotionalen Qualen versuchen wir uns abzuschneiden, indem wir unsere Muskeln anspannen und den Schmerz aus unserem Bewußtsein in den Körper verdrängen. Um ihn im Unbewußten zu halten, schaffen wir uns alle möglichen Ablenkungen. Wir sorgen dafür, daß wir ständig beschäftigt sind, bis hin zur Arbeitssucht, oder wir schlagen die andere Richtung ein und lassen uns in einem imaginären Schlaraffenland nieder, mit Drogen, Zigaretten, Schokolade oder Alkohol. Wieder andere machen sich davon abhängig, perfekt, der Beste oder auch der Schlechteste zu sein. Wir projizieren unsere Probleme auf andere und machen uns viel lieber alle möglichen Sorgen, als uns aktiv an die Lösung unserer Schwierigkeiten zu machen. Den größten Teil unserer Energie leiten wir in falsche Richtungen oder wir unterdrücken sie, nur um uns vor Schmerz zu bewahren, anstatt einfach das zu empfinden, was wir im Augenblick fühlen und sind. Wir glauben, daß es funktioniert. Wir bilden uns ein, wir könnten uns davor drücken, zu fühlen und zu sein, wer wir sind. Aber es klappt nicht. Der Preis ist riesig, aber wir leugnen sogar, daß wir überhaupt dafür zahlen müssen.

=> Die einzige Möglichkeit, Schmerz zu vermeiden, besteht darin, den Energiefluß zu stoppen.

Es gibt eigene Energieflüße für körperliche, emotionale und geistige Schmerzen. Nur ist in dem selben Energiefluß leider auch alles andere enthalten. Der Schmerz ist nur ein Teil davon. Wenn wir in einer Situation die negativen Erfahrungen von Schmerz, Ärger und Angst unterbinden, dann schneiden wir uns auch von ihrer positiven Erfahrung auf der physischen, emotionalen und geistigen Ebene ab. Dieser Prozeß tritt aber gar nicht in unser Bewußtsein, weil er uns schon vor langer Zeit zur Gewohnheit geworden ist. Ein Prozeß, mit dem wir uns von unseren Wunden abschirmen. Aber dadurch bauen wir eine Mauer, die uns von unserem tiefen Zentrum, von unserem Kern trennt. Da die schöpferische Kraft aus diesem Kern kommt, blockieren wir dadurch eben diese Kraft. Wir schneiden uns buchstäblich von unserem tiefen Zentrum ab, so daß es nicht einmal mehr in unser Bewußtsein dringt, geschweige denn sich im äußeren Leben manifestieren kann. Der Schmerz, den wir verdrängen, hat schon in der frühen Kindheit begonnen, oft noch vor der Geburt im Uterus.

=> Jedesmal, wenn wir bei einem traumatischen Ereignis den Energiefluß unterbrochen haben, ist dieses Ereignis energetisch und zeitlich erstarrt.

Der dabei ablaufende Prozeß ist dem gefrieren von Wasser durchaus vergleichbar, denn wenn die Energie aufhört zu fließen, entsteht ebenfalls eine Art "Eis". Wir nennen dies einen Block im menschlichen Energiefeld. Der Teil unserer Psyche, in dem sich das schmerzhafte Ereignis abspielte, ist in dem Augenblick, in dem wir den Schmerz unterbunden haben, erstarrt und bleibt es, bis wir ihn wieder aus der Starre lösen. Was bedeutet, daß er auch an unserem natürlichen Reifungsprozeß nicht mehr teilnimmt. Waren wir bei dem schmerzhaften Ereignis ein Jahr alt, dann ist dieser Teil unserer Psyche immer noch ein Jahr alt. Er wird nicht älter und verhält sich wie ein einjähriges Kind, wenn der gleiche Schmerz in anderer Gestalt wieder auftaucht. Erst wenn die Blockierung durch Energiezufuhr aufgelöst wird - ebenso wie Eis durch Wärmezufuhr schmilzt - und durch diese Auflösung die Heilung in Gang gesetzt wird, kann dieser Teil wieder in den Reifungsprozeß eintreten.
Wir alle sind voll mit derartigen Zeitblocks des Energiebewußtseins. In den seltensten Fällen handeln Menschen wirklich aus ihrem Erwachsenenselbst heraus. Unsere Interaktionen werden ständig von den unterschiedlichen psychischen Zeitblocks bestimmt. Bei jeder intensiven Interaktion erleben die Beteiligten die Wirklichkeit in einem Augenblick vom Erwachsenenselbst und im Nächsten vom Standpunkt des verwundeten Kindes aus. Dieser ständige Wechsel von einem Aspekt des psychischen Bewußtseins zu einem anderen macht die Kommunikation so schwierig.

=> Ein wichtiger Aspekt dieser erstarrten psychischen Zeitblocks ist, daß sie sich zusammenballen, wenn die Qualität ihrer Energie ähnlich ist.

Als Beispiel betrachten wir das Gefühl von Verlassenheit. Wir stellen uns einen Mann mittleren Alters vor; nennen wir ihn Hans. Gleich nach seiner Geburt wurde er von seiner Mutter getrennt, weil sie große Schwierigkeiten bei den Wehen hatte und anästhesiert werden mußte. Mit eineinhalb Jahren wurde er wieder von seiner Mutter getrennt, als diese zur Geburt des zweiten Kindes ins Krankenhaus ging. Aufgrund dieser zwei Erfahrungen und wegen der Liebe zu seiner Mutter erwartet das Kind, daß es von dem Menschen verlassen wird, den es am meisten liebt. Jede noch so kleine Erfahrung von Verlassenwerden im späteren Leben weckt in Hans das gleiche vernichtende Gefühl wie beim ersten Mal. Aus diesen als zu tiefst traumatisch erlebten Ereignissen zieht das Kind Schlußfolgerungen, die zu einem Bild erstarren. Eine solche Schlußfolgerung beruht auf konkreter Erfahrung, wie in diesem Fall auf der Erfahrung des Verlassenwerdens. Sie gründet sich auf die Logik des Kindes, die besagt : "Wenn ich liebe, werde ich verlassen."
Das daraus geformte Bild färbt künftig alle ähnlichen Situationen. Natürlich ist sich Hans mit eineinhalb nicht bewußt, daß er dieses Bild im Kopf hat. Vielmehr setzt es sich unbewußt in seinem Glaubenssystem fest und durchzieht sein ganzes Leben. Im Bezugssystem der Psyche verbinden sich diese beiden frühen Erfahrungen unmittelbar mit dem Erleben des zehnjährigen Hans, der das Gefühl hat, verlassen zu werden, als seine Mutter für sechs Wochen ohne ihn zum Kuraufenthalt fährt.
Geschieht irgend etwas Ähnliches im Leben von Hans, dann erfolgt seine Reaktion vom Standpunkt seines erstarrten Bildes aus und nicht gemäß der realen Situation. Es werden emotionale Reaktionen ausgelöst, die in der gegenwärtigen Situation weit übertrieben sind.

=> Diese erstarrten Bilder sind überdies Auslöser für eine Verhaltensweise, die die Tendenz hat, ähnliche Traumata wieder zu erzeugen.

Hans wird sich höchstwahrscheinlich wieder in eine Situation bringen, in der er von einer Freundin oder seiner Frau verlassen wird. Sein eigenes Verhalten, das von seinen unbewußten negativen Erwartungen gesteuert wird, führt die Situation herbei. Er behandelt seine Frau oder seine Freundin so, als ob sie ihn verlassen wollte. Vielleicht stellt er übermäßige Forderungen, um sich ihrer Liebe zu versichern, oder er beschuldigt sie sogar, daß sie vorhabe, ihn zu verlassen. Dieses unbewußte Verhalten wird sie gegen ihn aufbringen und dazu beitragen, daß sie sich weggetrieben fühlt. Hinter diesem Tun verbirgt sich in Wahrheit, daß Hans sich selbst so behandelt, als verdiene er es, verlassen zu werden, daß er sich also selbst verlassen hat. Die Wirkung dieser erstarrten Bilder kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. In ihnen ist der Schlüssel für den Transformationsprozeß zu finden, der zu Gesundheit und Glück führt. Wir alle sind voll von solchen Bildern, an die sich unsere psychischen Zeitblocks heften. Da gibt es für jeden von uns viel zu bereinigen.

=> Erstarrte Bilder mit ähnlicher Energie fließen zusammen und bilden ein Ganzes.

Das verwirrt jemanden, der glaubt, solche Erfahrungen wären emotional ebenso von einander getrennt, wie sie es im Zeitablauf sind. So ist es nicht. Jedes Segment eines Konglomerates erstarrter psychischer Bilder besteht aus dem Energiebewußtsein, das bei einer bestimmten Erfahrung in der Vergangenheit erstarrt ist. Der Heilungsprozeß bewirkt die Auflösung jedes dieser kleineren psychischen Zeitblocks. Die zusätzliche Energie, die dabei freigesetzt wird, wirkt dabei automatisch auf andere Segmente des Konglomerates (das sich bildete, eben weil sie aus ähnlicher Energie bestehen).
Kehren wir zu Hans zurück. Die Auflösung der einzelnen Zeitblocks erlebt er so, als würde ihm das damalige Geschehen jetzt wieder zustoßen. Er erlebt Schmerzen, die aus einer Zeit stammen, als er dreißig war. Sobald dieser Schmerz freigesetzt ist, erlebt er sich als Zehnjährigen. Schließlich wird der Zehnjährige eineinhalb. Wenn die Teile der menschlichen Psyche, die die Reifung der übrigen Persönlichkeit nicht mitgemacht haben, freigesetzt werden, treten sie in einen sehr schnellen Reifungsprozeß ein. Er kann einige Minuten dauern oder zwei Jahre, je nachdem, wie tief, wie stark und wie durchdringend das erstarrte Energiebewußtsein war. Fließen diese Energien wieder in den schöpferischen Lebensprozeß eines Individuums ein, dann kommt es zu großen Veränderungen. Hans Leben ordnet sich neu aufgrund des neuen Bewußtseins, das jetzt in dem schöpferischen Prozeß der Lebensgestaltung wirkt. Er wird sich selbst nicht mehr verlassen in der unbewußten Absicht, daß ein anderer für ihn sorgen soll. Statt dessen wird er sich selbst treu bleiben, weil er jetzt glaubt, daß er es wert ist, einen Partner zu haben, und daß er zur Partnerschaft fähig ist. Wenn er diese neue Beziehung zu sich selbst hergestellt hat, dann wird er eine neue Freundin anziehen, die nicht die Energie des Verlassens in sich trägt. Die neue Beziehung hat deswegen Aussicht auf Stabilität. Es kann natürlich sein, daß Hans noch einige Anläufe machen muß, bis er die "richtige" Frau findet.
Der eigentliche Ursprung von Schmerz liegt sogar noch tiefer als in den Energieblockierungen durch traumatische Erlebnisse auf der persönlichen Ebene. Er liegt in dem Glauben, daß jeder von uns getrennt ist, getrennt von allen anderen Menschen und getrennt von Gott. Die meisten von uns glauben unbewußt, daß diese Trennung eine Voraussetzung für Individualität ist. Das Ergebnis ist, daß wir uns von allem trennen, von unseren Familien, Freunden, Gruppen, Nationen und von der Erde. Dieser Glaube an das Getrenntsein wird als Angst erlebt und aus dieser Angst stammen alle anderen negativen Emotionen. Haben wir negative Emotionen erst erschaffen, dann trennen wir uns auch von ihnen. Dieser Prozeß der Absonderung erzeugt immer mehr Schmerz und Illusion, bis die negative Feedbackschlaufe durch Arbeit am inneren Prozeß unterbrochen und umgekehrt wird. Das Durchbrechen dieses Teufelskreises erzeugt eine positive Spirale, so daß mehr und mehr Freude und Klarheit in unser Leben kommen.

=> Der Schlüssel ist Liebe und Verbundenheit zu allem was existiert.

Wenn wir geboren werden, sind wir durch unseren Wesenskern noch in enger Verbindung mit großer Kraft und Weisheit. Diese Verbindung gibt uns das Gefühl völliger Sicherheit und wir nehmen die Welt staunend wahr. Während des Reifungsprozesses wird diese Verbindung immer schwächer. Sie wird durch die Stimmen der Eltern ersetzt, die uns schützen und uns Sicherheit geben wollen. Sie sprechen von richtig und falsch, von gut und böse, sagen uns, wie Entscheidungen zu fällen sind und wie wir in einer gegebenen Situation handeln oder reagieren sollen. Indem die Verbindung zum Wesenskern immer schwächer wird versucht die kindliche Psyche verzweifelt, die ihr ursprünglich eingeborene Weisheit durch ein funktionierendes Ego zu ersetzen. Die überlagerten oder internalisierten elterlichen Stimmen sind jedoch nie wirklich in der Lage, die Wesensverbindung zu ersetzen; was statt dessen erzeugt wird, ist das Maskenselbst.

=> Das Maskenselbst ist unser erster Versuch uns ins Recht zu setzen.

Mit dem Maskenselbst versuchen wir uns in einer Welt annehmbar zu machen, von der wir Zurückweisung fürchten. Wir präsentieren der Welt eine Maske, die danach geformt ist, was wir in der Welt für akzeptabel halten, damit wir angenommen werden und uns sicher fühlen. Das Maskenselbst sucht Verbindung mit anderen aufgrund dessen, was als "richtig" gilt; es kann aber keine tiefe Verbindung herstellen, weil es die wahre Natur der Persönlichkeit leugnet. Es leugnet unsere Angst und unsere negativen Gefühle. Für die Schaffung dieser Maske geben wir wirklich unser Bestes, aber sie erfüllt nicht, was sie verspricht.

=> Der Maske gelingt es niemals, das innere Sicherheitsgefühl zu erzeugen, nachdem wir uns so sehr sehnen.

Vielmehr erleben wir die Maske im Inneren wie etwas Aufgezwungenes, weil sie versucht zu beweisen, daß wir gut sind, wir aber nicht immer gut sind. Wir fühlen uns wie Betrüger und bekommen noch mehr Angst; also bemühen wir uns noch mehr.
Wir benutzen unsere besten Seiten, um zu beweisen, daß wir gut sind - gemäß den internalisierten Elternstimmen.
Es sind natürlich nicht nur die Stimmen unserer Eltern, wenn diese auch besonderes Gewicht haben, sondern alle, die in welcher Form auch immer an unserer "Erziehung" beteiligt sind : ältere Geschwister, Onkel, Tanten, Großeltern, Lehrer, Mitschüler, ... Aus diesen Stimmen formen wir uns im Inneren einen Richter, der dann jede unserer Handlungen be-/ver-urteilt.
Das erzeugt wiederum mehr Angst, besonders deswegen, weil wir die Maskerade nicht die ganze Zeit aufrechterhalten können. Wir sind in einem Teufelskreis gefangen und das Gefühl unecht zu sein und die Angst wachsen.

=> Die Absicht der Maske ist es, uns vor einer als feindlich vorgestellten Welt zu schützen, in dem wir beweisen, daß wir gut sind.

Die Absicht der Maske ist Vortäuschung und Leugnung. Sie leugnet ihre Absicht, Schmerz und Wut zu vertuschen, weil sie leugnet, daß Schmerz und Wut in der Persönlichkeit überhaupt existieren. Die Absicht der Maske ist es, das Selbst dadurch zu schützen, daß sie keine Verantwortung für negative Handlungen, Gedanken oder Gefühle übernimmt. Aus der Perspektive der Maske existieren Schmerz und Wut ausschließlich außerhalb der Persönlichkeit. Wir übernehmen keine Verantwortung dafür. Was immer an Negativem geschieht, muß die Schuld von jemand anderem sein. Es gibt immer jemanden, dem wir die Schuld zuschieben können. Das heißt, es muß jemand anderes sein, der wütend ist oder Schmerz erleidet. Und der einzige Weg die Maskerade aufrecht zu erhalten, besteht in dem Versuch, fortdauernd zu beweisen, daß wir die Guten sind. Im Inneren wehren uns gegen den ständigen Druck, gut zu sein. Diesen Druck schaffen wir uns selbst. Wir versuchen uns an die Regeln zu halten, oder, wenn wir es nicht tun, versuchen wir zu beweisen, daß wir recht haben und die anderen unrecht. Wir grollen innerlich darüber, daß wir nach den Regeln eines anderen leben müssen. Es ist sehr mühsam. Wir möchten eigentlich das tun, wonach uns gerade ist.

Wir werden müde, wir werden ärgerlich und wütend, wir werden gleichgültig und rücksichtslos, wir lassen unseren negativen Gefühlen freien Lauf, beschweren uns und machen Vorwürfe. Wir verletzen andere. Die Energie, die wir versuchen durch die Maske im Inneren festzuhalten, findet dennoch ihr Ventil und geht anderen an den Kragen. Und natürlich leugnen wir auch das, denn wir müssen ja beweisen, daß wir die Guten sind, um uns sicher zu fühlen. Irgendwo genießen wir es auch auszubrechen. Der Energie freien Lauf zu lassen, bringt Erleichterung, selbst wenn sie nicht klar und geradlinig ist und wir dabei unsere Selbstverantwortung aufgeben. Ein Teil von uns genießt es, unsere Negativität auf einen anderen abzuladen. Das nennt man negative Lust. Ihr Ursprung ist das niedrige Selbst. Sicher können Sie sich an eine eigene negative Handlung erinnern, die Ihnen Lust bereitet hat.

=> Jede Energiebewegung, sei sie positiv oder negativ, ist lustvoll, einfach, weil sie angestaute Energie freisetzt.

Der Beginn der Energiebewegung kann schmerzhaft sein, aber es wird immer Lust darauf folgen, denn mit der Entladung des Schmerzes wird auch die schöpferische Kraft frei und das ist immer lustvoll.

=> Negative Lust hat ihren Ursprung in unserem niedrigen Selbst.

Unser niedriges Selbst ist der Teil von uns, der vergessen hat, wer wir sind. Es ist der Teil unserer Psyche, der an eine getrennte, negative Welt glaubt und sich entsprechend verhält. Das niedrige Selbst leugnet die Negativität nicht, es genießt sie. Es sucht die negative Lust. Da das niedrige Selbst, anders als die Maske, Negativität nicht leugnet, ist es ehrlicher als das Maskenselbst. Das niedrige Selbst gibt seine negative Absicht zu. Es verkauft sich nicht als nett. Es ist nicht nett. Es stellt sich rücksichtslos an erste Stelle. Es sagt : "Ich bin mir wichtig, du bist mir unwichtig." Es kann nicht sich selbst und den anderen wichtig nehmen, weil es in einer Welt der Trennung lebt. Es genießt die negative Lust und möchte mehr davon. Es kennt den Schmerz in der Persönlichkeit, aber es hat absolut nicht die Absicht, diesen Schmerz zu fühlen.

=> Die Absicht des niedrigen Selbst ist es, die Tarnung aufrecht zu erhalten, alles zu tun, was es will und keinen Schmerz zu fühlen.

Natürlich wird während des Reifungsprozesses nicht unsere gesamte Psyche vom Kern getrennt. Ein Teil von uns ist klar und liebevoll, ohne inneren Kampf. Er ist direkt mit unserer individuellen Göttlichkeit im Inneren verbunden. Er ist voller Weisheit, Mut und Liebe. Er ist in Verbindung mit großer schöpferischer Kraft. Dieser Teil in uns, das höhere Selbst, ermöglicht all das Gute, das in unserem Leben geschieht. Es hat nicht vergessen wer wir sind.

=> Wann immer Sie Frieden, Freude oder Erfüllung in Ihrem Leben erfahren, hat sich das höhere Selbst durch das schöpferische Prinzip zum Ausdruck gebracht.

Wenn Sie sich fragen, was gemeint ist, wenn vom "wahren Selbst" die Rede ist oder davon "zu sein, wer Sie wirklich sind" dann betrachten Sie diese Momente in Ihrem Leben. Sie sind ein Ausdruck Ihres wahren Selbst. Sehen Sie die negativen Bereiche Ihres Lebens niemals als ein Ausdruck Ihres wahren Selbst. Negative Bereiche drücken das aus was Sie nicht sind. Sie sind ein Beispiel dafür, wie Sie den Ausdruck Ihres wahren ( oder höheren ) Selbst blockiert haben.

=> Die Absicht des höhere Selbst ist Wahrheit, Gemeinschaft, Achtung, Individualität, klares Selbstbewußtsein und Einssein mit der Schöpfung.

Der Hauptunterschied zwischen dem höheren Selbst, dem niederen Selbst und der Maske liegt in ihrer jeweiligen Intention und der Qualität der Energie, die in Interaktionen zum Ausdruck kommt und das Ergebnis der zugrundeliegenden Intention ist. Was viele menschliche Interaktionen so verwirrend macht, ist die Tatsache, daß sie sich - je nach der Intention die dahintersteckt - unterscheiden.

=> Unsere Äußerungen können von jedem der drei Zentren der Intention ausgehen:
vom höheren Selbst
vom niederen Selbst
von der Maske.

Wörter können etwas anderes bedeuten, als sie sagen.

Dem höheren Selbst ist es ernst, wenn es sagt : "Wir sind Freunde."

Das Maskenselbst sagt : "Wir sind Freunde, solange ich der/die Gute bin, und du darfst niemals die Illusion in Frage stellen, daß ich das Gute bin."

Das niedrige Selbst sagt : "Wir sind Freunde, so weit ich es zulasse. Darüber hinaus paß auf ! Komm mir nicht zu nahe, weil ich dich benutzen werde um das zu bekommen, was ich will und um meinen Schmerz zu vermeiden. Wenn du mir oder meinem Schmerz zu nahe kommst oder mich davon abhalten willst, zu bekommen, was ich will, dann werde ich dich töten."
( "Töten" heißt in diesem Zusammenhang alles, was das niedrige Selbst braucht, um sich durchzusetzen. Es kann heißen, mit dem anderen nicht mehr zu sprechen, in einer Diskussion oder einem Machtspiel die Oberhand zu behalten, oder es kann tatsächlich bis zum Mord gehen. )

Je mehr das aus unserem Wesenskern entspringende Handeln von der Maske entstellt wird, um so mehr müssen wir es durch Vorwürfe an andere rechtfertigen. Je mehr wir die Existenz unseres niedrigen Selbst leugnen, um so mehr entmachten wir uns. Verdrängen blockiert unsere innere schöpferische Quelle. Dadurch entsteht ein immer größerer Teufelskreis aus Schmerz und Hilflosigkeit. Je größer dieser Teufelskreis wird, um so größer erscheint uns unsere ursprüngliche Wunde. Sie wird in der Vorstellung mit imaginiertem Leid von solcher Intensität zugedeckt, daß die unbewußte Angst davor immer mehr wächst und wir alles tun, um uns vor der Erfahrung dieses ursprünglichen Schmerzes zu schützen. In unserer Phantasie wird daraus Folter und Vernichtung. Je mehr wir uns davor abschirmen und damit auch von der Heilung, um so tiefer vergraben wir unsere Wunde und unsere Vorstellung davon entfernt sich immer mehr von der Realität. Wir erzeugen in unserem Leben und in unserem Körper weit mehr Schmerz und Krankheit erzeugen, indem wir der ursprünglichen Wunde durch gewohnheitsmäßige Abwehrstrategien ausweichen, als diese Wunde selbst je geschaffen hat.

=> Die Störung unseres Energiefeldes durch unser gewohnheitsmäßiges Abwehrsystem erzeugt mehr Schmerz und Krankheit in unserem Leben als irgendeine andere Ursache.

Diese Vermeidungshaltung schafft Disfunktionen in unserem Feld, die dann zu Krankheit im Körper führen. Unsere eingefleischten Abwehrhaltungen zeigen sich im Energiefeld als energetisches Abwehrsystem, zu dem wir wieder und wieder Zuflucht nehmen. Es steht in direkter Beziehung zu unserem Maskenselbst. Je mehr es uns gelingt, Schmerz und Ärger mit unserem Abwehrsystem niederzuhalten, um so mehr halten wir auch die positiven Gefühle zurück. Wir werden dumpf. Das Leben verläuft nicht wie wir es erwartet haben — es wird oberflächlich und langweilig. Der Eros stirbt. Wir sind in gewohnheitsmäßigen Teufelskreisen gefangen und unfähig, das in unserem Leben zu verwirklichen, wonach wir uns sehnen. Wir verlieren den Glauben ans Leben. Dafür muß auch der Körper seinen Tribut entrichten. Weil wir gewohnheitsmäßig Schmerzen ausgrenzen, lösen wir uns von unserem Wesenskern ab. Wir haben vergessen, wie er sich anfühlt. Wir haben unser Wesen vergessen. Wir haben vergessen, wer wir sind. Wir haben den Kontakt mit unseren "Wesensenergien" verloren, mit denen wir unser Leben erschaffen. Es ist, als erwarten wir, daß sich unser Leben so gestaltet, wie wir es wollen, ohne zu wissen, wer dieses "wir" ist, das will. Der einzige Weg, um uns daran zu erinnern, wer wir sind, um unser Leben nach unserem Willen zu gestalten, um Gesundheit zu erlangen und das Gefühl von Sicherheit, besteht darin, wieder voll mit unserem Wesenskern in Verbindung zu treten. Es gibt nur einen Weg dorthin : Wir müssen uns unsere inneren Bilder bewußtmachen und die erstarrten psychischen Zeitkonglomerate freisetzen, die sich an sie heften, damit wir an die Quelle aller Bilder gelangen, an unsere ursprüngliche Wunde. Dazu müssen wir unser Abwehrsystem überwinden und mit ihm all die negativen Gefühle und all die Schichten imaginierten Schmerzes, die die ursprüngliche Wunde überlagern. Wenn wir an diese Wunde gelangen, dann verändert sich unser ganzes Leben, wir können uns und unser Leben heilen. Das ist der Transformationsprozeß. Um es noch einmal zu sagen : Der Weg dorthin führt nicht über Vermeidung in irgend einer Form, sondern nur durch die Bereitschaft alles, wirklich alles bereitwillig zu betrachten, wie schmerzhaft es in diesem Moment auch sein mag. Wird der gegenwärtige Schmerz zum Ausdruck gebracht, so wird auch der alte Schmerz frei. Obwohl dieser Schmerz sehr stark sein und massive Ängste auslösen kann, ist er im Grunde eine Illusion, weil er auf der Illusion beruht, die im Bild festgehalten wird. Betrachten wir zum besseren Verständnis das Beispiel des zehnjährigen Hans : Er fühlt sich vernichtet, als seine Mutter ohne ihn zum Kuraufenthalt fährt. Aber es sind seine Gefühle, die ihn vernichten, nicht die wirkliche Situation. Beim Durchdringen immer weiterer Schichten des illusionären Schmerzes, die sich um die ursprünglich Wunde gebildet haben, gelangen wir schließlich zu dieser Wunde. Der meiste Schmerz stammt jedoch nicht aus der ursprünglichen Wunde, sondern aus der Abwehr dieser Wunde. Diesen Schmerz tragen nicht nur wenige Menschen in sich - er existiert in unterschiedlichen Graden in der gesamten Menschheit. Manchen Menschen ist dieser Schmerz bewußter als anderen. In frühester Kindheit begannen wir alle damit, das abzuwehren, was wir vom Leben aufgrund unserer zu Bildern erstarrten Schlußfolgerungen erwarteten. Jedesmal, wenn wir uns dagegen wehrten, fügten wir dem Konglomerat erstarrter psychischer Bilder mehr Energie zu und jedesmal wurde der imaginäre Schmerz größer, bis wir aus den Augen verloren, worin der eigentliche Schmerz wirklich bestand. Übrig blieb ein unbekannter, fürchterlicher, unerträglicher Schmerz. Wir verschwenden unvorstellbar viel Zeit und Energie in unserem Leben durch die Abwehr der ursprünglichen Wunde. Der tiefste Schmerz ist Selbstbetrug. Wir haben sehr früh entschieden, uns von der tatsächlichen Beschaffenheit unseres Seins abzuwenden und dagegen anzuleben. Diese Entscheidung haben wir in unserem Leben wieder und wieder getroffen, bis sie zu einer unbewußten Gewohnheit wurde und ein fester Teil unseres Abwehrsystems. Wird dies zur gelebten Erkenntnis, so führt es uns zu großer Freiheit und einer völlig veränderten Lebensbetrachtung. Das Leben wird zu einer ständigen Herausforderung, wahrhaftig zu sein und das eigene Selbst nicht zu betrügen.

=> Die größte Herausforderung des Lebens ist es, mit unserem Wesenskern in Verbindung zu bleiben und ihn zum Ausdruck zu bringen, ganz gleich in welchen Umständen wir uns befinden mögen.

Jeden Tag bringen wir unseren Wesenskern mehr oder weniger zum Ausdruck. Das Maß unseres Selbstausdruckes hängt davon ab, wie klar und fest wir mit unserer Essenz verbunden sind. Die im Fluß befindlichen Lebensbereiche, in denen wir keine Probleme haben und uns erfüllt fühlen, sind jene, in denen wir direkt aus unserem Kern heraus handeln.
Energien, die ungehindert aus dem Wesenskern fließen, machen den Menschen gesund. Sie bringen unser höheres Selbst zum Ausdruck, mit dem wir geboren werden, und dessen Verbindung zum Kern niemals abreißt. Normalerweise halten wir diesen Teil von uns stark zurück. Meistens zeigen wir nicht, wie wichtig uns etwas ist, wie sehr wir lieben, welche Sehnsucht wir haben. Wir decken diese Gefühle zu, pressen sie in Begriffe und reduzieren sie auf ein "vernünftiges Maß" (gemessen an den internalisierten Elternstimmen bzw. dem "Richter"). Wir geben uns mit weniger zu frieden und das ist dann "angemessenes" Verhalten oder was wir dafür halten. Aber manchmal, wenn wir gerade nicht aufpassen, lassen wir los und die schöpferische Kraft in uns kommt hervor, die sich dann in einem plötzlichen Akt der Freundlichkeit zeigt, als Ausdruck von Liebe oder Freundschaft, noch bevor wir darüber nachgedacht haben. Es kommt zu einem Augenblick wirklicher Nähe, und Liebe wird frei und das können wir dann nicht aushalten. Wir können das Licht und die Liebe nicht aushalten und scheuen wieder zurück. Im nächsten Augenblick werden wir verlegen und verschließen uns wieder. Angst taucht scheinbar aus dem Nichts auf und wir werden unsicher und überlegen uns, ob es nicht "falsch" war, was wir da zugelassen haben. Da sind die Elternstimmen am Werk, die sich anstelle des Wesenskerns setzen. Darunter aber verbirgt sich der Abwehrmechanismus, der sagt : "Wenn du diesen Energiefluß nicht stoppst, dann wirst du womöglich alles fühlen, sogar den Schmerz, vor dem ich dich abschirme." Also unterbrechen wir den Fluß unserer Lebenskraft und halten sie an. Wir nehmen uns zurück auf die "normale" Ebene von Sicherheit, wo wir kein Boot ins Schaukeln bringen, am wenigsten unser eigenes. Das ist die Grundbedingung des Menschen. Wir leben in der Dualität und haben immer die Wahl, wie unsere individuellen Lebensumstände auch immer sein mögen. In jedem Augenblick können wir wählen, ob wir ja sagen zu einer ausgeglichenen, kraftvollen und sicheren Offenheit, die zu Lebensfülle führt, oder ob wir uns sperren und uns damit wehren gegen die volle Lebenserfahrung. So blockieren wir dann unsere Lebendigkeit. Die meisten Menschen entscheiden sich dafür, den größten Teil ihrer Lebendigkeit zu opfern. Warum? Eben weil wir unbewußt ahnen, daß alte Schmerzen freigesetzt werden könnten, wenn wir die Lebenskraft fließen lassen, und davor haben wir Angst. Wir wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen.
Wir ziehen uns also hinter unsere Verteidigungslinie zurück und halten uns an die alten, scheinbar angemessenen Definitionen unserer Maske, die uns sagt, wer wir sind. Die internalisierte Elternstimme der Maske wird stärker und wir ziehen uns noch weiter zurück. "Wer glaubst du eigentlich, wer du bist?" "Du bildest dir doch nicht etwa ein, daß du etwas verändern kannst?" "Sei doch mal realistisch! Die Menschen ändern sich nicht. Sei zufrieden mit dem was du hast." "Du bist unersättlich!" "Du weißt einfach nicht zu schätzen, was du hast!" Oder : "Wenn mich meine Eltern doch nur ..." "Hätte mein(e) Partner(in) nur nicht ..." "Wenn ich doch nur nicht so häßlich ( nachlässig, pedantisch, vorlaut, bescheiden, gedankenlos, hausbacken, etc. ) wäre." Und so weiter und so weiter und so weiter. Es gibt tausenderlei Arten, wie die Maske sprechen kann, um Sie dort festzuhalten, wo Sie sind. In einem gewissem Maß bewahrt Sie die Maske davor, Ihren Schmerz zu fühlen. Langfristig führt das zwangsläufig zu mehr Schmerz und schließlich zu Krankheit. Krankheit entsteht, weil wir uns gegen unseren Wesenskern abgrenzen. Indem wir die Verbindung unterbrechen, vergessen wir, wer wir wirklich sind und leben entsprechend — das heißt : nach den Geboten der Maske, des niedrigen Selbst und des Abwehrsystems. Heilung bedeutet, uns daran zu erinnern, wer wir wirklich sind, die abgespaltenen Teile unserer Psyche wieder mit unserem Kern in Verbindung zu bringen und demgemäß zu leben. Wenn wir unsere positiven Energien unterdrücken, so unterdrücken wir damit auch unsere Kreativität, die Fähigkeit, unsere Gesundheit zu bewahren und uns selbst zu heilen. Jeder von uns möchte er selbst sein, sich selbst verstehen und sich selbst zum Ausdruck bringen. Diese Sehnsucht ist das innere Licht, das uns auf unserem evolutionären Pfad vorwärts leitet. Jeder von uns wird mit einer persönlichen Lebensaufgabe geboren, die von uns verlangt Kontakt zu unserem Wesenskern wiederzufinden. Dazu müssen wir die Blocks zwischen unserem Bewußtsein und unserem Kern aus dem Weg räumen. So werden unsere schöpferischen Energien frei und bringen die Gaben unseres Wesenskerns zutage, die wir erst empfangen und dann in die Welt bringen. Wir finden unsere Lebensaufgabe in der Welt. Diese Lebensaufgabe kann sich erst entfalten, wenn wir unsere schöpferischen Energien in unserem Wesenskern freisetzen.

=> Um in der Welt etwas zu bewirken, müssen wir an unserem persönlichen Transformationsprozeß arbeiten.

Wir alle zeigen uns nur widerstrebend schutzlos, unverschleiert, so wie wir sind, sei es zu dem Zeitpunkt positiv oder negativ. Wir wollen den Schmerz und die Wunde verbergen, die jeder von uns auf seine Weise in sich trägt. Wir verbergen sie aus Scham. Wir glauben, wir seien die einzigen oder unser Schmerz sei verwerflicher als der eines anderen. Das ist unsere menschliche Verfaßtheit. Es wird lange dauern, bis wir alle lernen, uns so zu zeigen, wie wir sind. Dazu ist sehr viel Liebe nötig. Geben wir einander viel Raum, Zeit und liebevolle Anerkennung. Durch unsere Wunde lernen wir zu lieben. Diese innere Wunde die wir alle haben ist unser größter Lehrmeister. Erkennen wir an, wer wir wirklich sind. Wir sind dieser wunderschöne Wesenskern, trotz all der Schichten von Schmerz und Wut, die darüber lagern. Jeder von uns ist einzigartig, und es ist wunderbar, daß es so ist.

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So jetzt erst mal tief durchatmen & 'ne Tasse Tee/Kaffee hohlen. :tee:
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Der zweite Text stammt aus dem Buch Samarkand von Dr. Olga Kharitidi.

Die im Text erwähnten "Dämonen" sind eine Arbeitshypothese, um bestimmte Prozesse zu verdeutlichen und nicht unbedingt die "Realität".

Die Dämonen des Traumas

Wenn du dich von der Quelle des Leids distanzierst, wenn du es als das Gegenteil dessen betrachten, was du sein willst, dann bringst du dich um die Chance es zu ändern.

Denn es lebt in dir weiter fort, als ein Teil von dir, der deine Entscheidungen beeinflußt. Aber weil du dich weigerst, das zu erkennen, verharrst du in naiver Ignoranz und wirst weiterhin leiden.

Die Quelle von Unglück und Krankheit nennen wir "Trauma". Und wir glauben, daß wir alle lebendige Verkörperungen des Traumas in uns tragen. In unserer Tradition nennen wir sie "Dämonen des Traumas". Wenn etwas dich verletzt und du das nicht voll und ganz als Teil deiner persönlichen Geschichte akzeptierst, entsteht eine Lücke in deiner Erinnerung; eine Lücke, die, wenn die Verletzung schlimm genug ist oder häufig wiederholt wird, von einem "Dämonen" besetzt wird. Du brauchst dir darunter nicht unbedingt ein altmodisches, scheußliches Monster vorzustellen, das auf deinem Rücken sitzt und dir das Blut aussaugt.

Du kannst darüber auch in Begriffen der neurokognitiven Wissenschaft nachdenken, falls dir der Ausdruck "Neurotransmitter" besser gefällt als "Kreaturen der Nacht". Du kannst Sie als Manifestationen von Wesen oder als nichtintegrierte Verkörperungen bezeichnen; du kannst jede Sprache oder jede Metapher benutzen, die dir gefällt. Es spielt keine Rolle. Was wichtig ist, ist der Prozess.

Der interne psychische Prozess, der sich häufig über Generationen durch die Vererbung von Traumamustern fortsetzt, die vielleicht vor sehr langer Zeit bei einem deiner Vorfahren durch eine unerträgliche Verletzung entstanden sind.

Menschliche Gene sind wesentlich flexiebler, als wir glauben. Sie nehmen wahr in dem selben Maße, wie sie agieren. Wenn sich eine Verletzung erst ein mal in den Genen niedergeschlagen hat, agieren diese anders und verzerren die Erinnerung. Dadurch bleibt sie unvollständig. Es entsteht eine Lücke in der Erinnerung, und der Dämon des Traumas nistet sich ein, unbemerkt von unserem Bewußtsein. Der Dämon eines Traumas ist am Werk, wenn ein Mann, der eine wunderbare Familie hat, ein angenehmes Leben führt und psychisch stabil ist, eines Morgens aufsteht, seiner Frau eine Nachricht hinterläßt, seinem elfjährigen Sohn einen Abschiedskuss auf die Stirn drückt und mit einem Rasiermesser in der Tasche zum Friedhof geht. Und auf dem Grab seines Vaters, der sich, als sein Sohn genau elf Jahre alt war, erhängte, schneidet er sich die Kehle durch. Er schneidet so tief, daß das Grab mit Blut getränkt ist, als die Polizei ihn findet, und daß nur ein medizinisches Wunder ihn wieder ins Leben zurückbringen kann. Wenn er wieder aufwacht, kann er nicht erklären, was geschehen ist. Er kann nichts sagen, außer daß sein Vater ihm so Leid getan hat und daß er bei ihm sein wollte.
Das ist ein extremes Beispiel. Aber es gibt bei manchen Menschen viel schlimmere Tragödien in der Geschichte ihrer Familien, als man es sich vorstellen kann. Sie lernen, sie vor sich selbst und vor ihren Kindern zu verbergen. Sie spielen Verstecken mit den Dämonen, und rate mal, was passiert.

Meistens verlieren sie das Spiel, denn selbst wenn sie sich nicht erinnern, die Gene - diese unfehlbaren Gedächtnisbausteine - erinnern sich ganz genau, und der Schmerz bleibt, bis er geheilt wird.

Derselbe Mechanismus funktioniert auch bei kleineren Dingen. Sobald wir in diese Welt eintreten, fangen wir an, im Korb unseres Gedächtnisses individuelle Verletzungen zu sammeln. Wie sich dieser Prozess weiter vortsetzt, entspricht Darwins Vorstellungen vom Überleben des Stärkeren, aber er dehnt sich aus auf die psychische Ebene. Jedes Geschöpf versucht zu überleben. Das gilt auch für die Dämonen des Traumas. Sie müßen "essen". Sie sind immer hungrig. Sie schaffen "Nahrung" für sich, indem sie Schmerz erzeugen. Wie kommt das Paradox zustande, daß Opfer von Mißhandlungen selbst zu den schlimmsten Mißhandlern werden? Das ist nicht logisch, aber für die Dämonen des Traumas ist es absolut "folgerichtig", in Opfern von Mißhandlungen zu wachsen und sich zu ernähren, indem sie den Schmerz wieder von neuem erzeugen.

Vielleicht kennst Du das aus eigener Erfahrung.

Wie viele haben in Ihrem Leben etwas getan, das Sie bereuen, etwas von dem Sie wußten, daß es nicht richtig war? Sie haben es trotzdem getan und sich dadurch in unangenehme Umstände gebracht?

Ich wette du kennst das Gefühl:"Ich kann mir nicht erklären, warum ich das getan habe." Ich höre das oft, und du hörst es wahrscheinlich auch von anderen Menschen. Man hat keine Ahnung, warum man es getan hat, weil der Impuls für die Handlungen von dem Dämon des Traumas kam. Da man sich dessen nicht bewußt ist, folgt man dem Impuls blind und verletzt sich und andere immer wieder aufs Neue.

Es gibt drei Gründe, warum es für jeden lebenswichtig ist, den Kampf gegen die Dämonen des Traumas zu gewinnen.

Erstens, weil der Sieg über die Dämonen Heilung bedeutet, er beseitigt Unglück und heilt Krankheiten. Krankheiten sind das Mittel, mit dessen Hilfe der Organismus versucht, das Trauma auf eigene Faust zu bekämpfen. Wie oft habe ich erlebt, daß Menschen in ganz bestimmten Lebenssituationen krank werden und nach Hilfe verlangen, Situationen, in denen der Dämon bei einem Menschen mit lückenhafter Erinnerung plötzlich aktiv wird. Deswegen treten viele Heilerfolge dann ein, wenn der Patient in der Lage ist, die Wurzel desTraumas auszumerzen.

Zweitens glauben wir unter Berufung auf unsere Tradition, daß alles, was wir tun, mit den Generationen vor uns zusammenhängt und sich auf die Generationen nach uns auswirkt. Ich habe viele Menschen erlebt, die genau dann ihrem Trauma gemäß handelten und auf diese Weise Hilfe suchten, wenn ihre Kinder das Alter erreichen, in dem Sie selbst - die Erwachsenen - die Verletzung erfahren hatten. Der Mann zum Beispiel, der sich auf dem Friedhof die Kehle durchgeschnitten hat. Sein Sohn war elf. Nur so hatte er die Möglichkeit, seine Familienlinie zu heilen, seine Ahnen zu erlösen und seine Erben zu schützen.

Drittens werde ich über den Tod sprechen. Das ist ein Thema, über das die meisten nicht gerne reden. Warum? Weil es Angst auslößt, die wir alle empfinden. Es heißt, das sei die Angst vor dem Unbekannten. Ich sage, es ist die Angst vor dem Bekannten, das von unserem Bewußtsein aber nicht als real anerkannt wird. Im Laufe unseres Lebens nisten sich die Traumata, die wir erleben, in uns als schmerzhafte Knoten ein, die von den Dämonen nochfester gezurrt werden. Wenn wir diese Knoten im Laufe unseres Lebens nicht lösen, wird das nach unserem physischen Tod geschehen. Und es spielt keine Rolle ob man an ein Leben nach dem Tod glaubt oder nicht."
[i]Michael Ende[/i] hat geschrieben:aus MOMO:

"Aber was sind sie dann?"
"In Wirklichkeit sins sie nichts."
"Und wo kommen sie her?"
"Sie entstehen, weil die Menschen ihnen die Möglichkeit geben zu entstehen. Das genügt schon, damit es geschieht. Und nun geben die Menschen ihnen auch noch die Möglichkeit sie zu beherschen. Und auch das genügt, damit es geschieht."
And I'll spread my wings 'till sun and moon, singing the song of life, dancing the dance of life, becoming life itself, no longer knowing, that I am.

Re: Innere Dynamik & Die "Dämonen" des Traumas

2
Eulenspiegel hat geschrieben:...Text von Barbara Ann Brennan...

In den seltensten Fällen handeln Menschen wirklich aus ihrem Erwachsenenselbst heraus. Unsere Interaktionen werden ständig von den unterschiedlichen psychischen Zeitblocks bestimmt. Bei jeder intensiven Interaktion erleben die Beteiligten die Wirklichkeit in einem Augenblick vom Erwachsenenselbst und im Nächsten vom Standpunkt des verwundeten Kindes aus. Dieser ständige Wechsel von einem Aspekt des psychischen Bewußtseins zu einem anderen macht die Kommunikation so schwierig.
Kurze Anmerkung zu den Zustandswechseln bzw. der zugehörigen "schwierigen" Kommunikation: wird z.B. als Modell in der Transaktionsanalyse [wie bereits an anderer Stelle erwähnt] berücksichtigt:
Das Ich-Zustands-Modell
Kern der Transaktionsanalyse [nach Eric Berne] ist die Beobachtung, dass erwachsene Menschen nicht immer aus der Haltung eines erwachsenen Menschen heraus kommunizieren und handeln, sondern mitunter auch aus der Position eines Kindes - des Kindes, das sie einmal waren - oder aber aus der Position von Elternfiguren - derjenigen Elternfiguren, die sie als Kind erlebt haben. Auf dieser Beobachtung gründet das für die TA typische Ich-Zustands-Modell. Es besteht aus den drei Ich-Zuständen: Kind-Ich, Erwachsenen-Ich und Eltern-Ich. Dabei stellt jeder einzelne Ich-Zustand ein System aus Denken und Fühlen dar, aus dem ein bestimmtes Verhalten erwächst. Mit Hilfe des Ich-Zustand-Modells verstehen und erklären Transaktionsanalytiker Persönlichkeitsstrukturen und Formen der zwischenmenschlichen Kommunikation und des Handelns. Die Darstellung des Ich-Zustands-Modells in Form von drei übereinander angeordneten Kreisen wurde weltweit zum Sinnbild und zum Markenzeichen für die Transaktionsanalyse.

Re: Innere Dynamik & Die "Dämonen" des Traumas

3
Danke für die beiden Texte, die sich sehr gut ergänzen. Respekt, dass Du Dir diese Mühe gemacht hast.

Barbara Ann Brennan bzw. Deine Überarbeitung überschneidet sich in wesentlichen Punkten mit den COEX-Systemen von Stanislav Grof.

"Die Dämonen des Traumas" erinnern mich an den Vortrag über den Schmerzkörper von Eckhard Tolle in diesem Beitrag.
Dr. Olga Kharitidi hat geschrieben:Der interne psychische Prozess, der sich häufig über Generationen durch die Vererbung von Traumamustern fortsetzt, die vielleicht vor sehr langer Zeit bei einem deiner Vorfahren durch eine unerträgliche Verletzung entstanden sind.

Menschliche Gene sind wesentlich flexiebler, als wir glauben.
Schade, dass der Text nicht ausführlicher darauf eingeht. Die Autorin meint, dass traumatische Vererbung und Genetik zusammenhängen. Aber dadurch, dass sie sagt, Gene seien flexibler, als wir glauben, erschließt sich mir ihre Aussage leider nicht.

Re: Innere Dynamik & Die "Dämonen" des Traumas

4
gowiththeflo hat geschrieben:Die Autorin meint, dass traumatische Vererbung und Genetik zusammenhängen. Aber dadurch, dass sie sagt, Gene seien flexibler, als wir glauben, erschließt sich mir ihre Aussage leider nicht.
Gene sind wohl eben so flexibel, dass sie auch persönliche Traumata abspeichern und weitertragen. Und so flexibel, dass Traumata Generationen später aufgearbeitet werden können. So flexibel, dass man auf die in ihnen abgespeicherten Informationen einwirken kann.

Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse eröffnen ja mitlerweile zumindest, dass genetische Informationen verändert werden können, eh sie weitergegeben werden. Einmal gibts da die Epigenetik. Das Konzept der Meme gibts auchnoch. Narby lässt grüßen.. :)

Siehe hierzu auch: http://pantorise.de/viewtopic.php?f=30&t=201& & http://pantorise.de/viewtopic.php?f=30&t=247&

Und danke auch Eulenspiegel. :)

Gruß
Schuh
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